Österreichisches Rotes Kreuz - der Podcast

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00:00:00: [Musik]

00:00:03: Gerade Social Media, die sind darauf ausgerichtet auf Konfrontation, da arbeitet man fast nur mit Bildern und Bildern und Gewalt.

00:00:09: Das hat einen unglaublichen Effekt.

00:00:11: In unserer Einrichtung leben 100 Jugendliche, obwohl die Betreuung glaube ich recht gut ist, kriegt man viele Dinge nicht gut.

00:00:17: Wie kann man gemeinsam versuchen für die Kinder ein, der Situation, ein halbwegs gutes Aufwachsen zu ermöglichen?

00:00:25: Es braucht viel mehr, dass Jugendliche ankommen können und in Österreich irgendwie ein Stück Heimat finden.

00:00:31: [Musik]

00:00:33: Österreichisches Rotes Kreuz, der Podcast.

00:00:36: [Musik]

00:00:38: Damit herzlich willkommen zu dieser neuen Folge. Mein Name ist Isabella Richter und ich freue mich wie immer sehr, dass Sie zuhören.

00:00:46: Bei uns dreht sich heute alles um Kinder und Jugendliche und deren Umgang mit Krisen.

00:00:53: Davon haben wir ja leider im Moment genug. Die Pandemie war gerade mal vorbei.

00:00:58: Ist es zum bewaffneten Konflikt in der Ukraine gekommen, der viele Kinder und Jugendliche hierzulande beschäftigt?

00:01:05: Natürlich auch aufgrund der geografischen Nähe.

00:01:08: Und dann ist da natürlich aktuell auch der Konflikt im Nahen Osten.

00:01:12: Wir schauen uns heute genau an, wie wir erwachsene Eltern, Lehrer mit Kindern,

00:01:19: die da oft von Gefühlen der Angst und Ohmacht auch geleitet sind, umgehen sollen.

00:01:25: Und natürlich, wie wir da unterstützen können.

00:01:27: Wir schauen uns aber auch die Seite der geflüchteten Kinder und Jugendlichen an, die in Österreich leben.

00:01:35: Und ich begrüße sehr herzlich meine heutigen Gäste.

00:01:38: Das ist Barbara Juhren.

00:01:40: Schönen guten Tag.

00:01:41: Schön, dass du da bist.

00:01:42: Freu mich.

00:01:43: Du bist Klinische und Gesundheitspsychologin und Notfallpsychologin und fachliche Leiterin der psychosozialen Dienste beim österreichischen Roten Kreuz.

00:01:53: Schön, dass du dir Zeit nimmst.

00:01:54: Danke.

00:01:56: Und ich begrüße sehr herzlich Magdalena Hofinger.

00:01:58: Hallo.

00:01:58: Hallo.

00:01:58: Schön, dass du da bist.

00:01:59: Du bist pädagogische Leiterin vom Haus Erdberg-UMF in Wien.

00:02:04: Dort betreut ihr unbegleitete männliche, minderjährige Geflüchteter.

00:02:10: Genau, ja, habe ich das so richtig gesagt.

00:02:11: Super.

00:02:13: Magdalena, ich würde auch gleich gerne mit dir beginnen und mit dem Haus Erdberg.

00:02:16: Erzähl uns doch einmal ein bisschen was drüber.

00:02:18: Was ist das jetzt ganz genau für eine Einrichtung?

00:02:21: Das Haus Erdberg wurde vom, also UMF, der dritte Stock eigentlich nur ist ein großes Haus,

00:02:28: wurde 2021 im November vom Roten Kreuz übernommen.

00:02:34: Als Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

00:02:36: Damals, weil es so viele obdachlose, minderjährige Flüchtlinge gab, also in den Bundeseinrichtungen,

00:02:43: hauptsächlich in den Dreißkirchen.

00:02:44: Wir haben vier Wohngruppen im Haus mit je ca. 25 Klienten je Wohngruppe, also insgesamt

00:02:54: ungefähr 100.

00:02:55: Genau, die meisten davon, alle sind zwischen 16 und 17 Jahre alt, wir haben keine Nachbetragungsplätze

00:03:03: und die meisten davon sind aus Syrien.

00:03:05: Ein paar wenige aus Afghanistan, jetzt kommen auch vermehrt Jugendliche aus der Türkei und

00:03:13: zwischendurch immer mal auch wieder aus der Ukraine, aber die meisten sind aus Syrien.

00:03:17: Und da haben die jungen Männer bei euch zum Großteil eben noch Familie und Kontakt

00:03:21: auch zu Familie?

00:03:22: Das ist sehr unterschiedlich, sie sind unbegleitete, das heißt, das sind alle ohne Familie, also

00:03:28: ohne Eltern in Österreich und ohne Ob-Sorgeberechtigte.

00:03:31: Das macht dann die M.A. 11 in Sepe und sind, also die Kinder und Jugendhilfe.

00:03:37: Sie haben teilweise Kontakt zur Familie, teilweise auch nicht, das ist unterschiedlich, je nach

00:03:43: Geschichte.

00:03:44: Du hast gesagt 16 bis 17, mit 18 ist man volljährig und muss ausziehen, weil wir haben keine

00:03:50: Nachbetragungsplätze.

00:03:51: Genau, was heißt das?

00:03:52: Was passiert dann mit den jungen Männern?

00:03:54: Das ist ein bisschen kompliziert, es kommt auf den Status drauf an.

00:04:00: Für Asylberechtigte, junge Männer gibt es eine Einrichtung in Wien, die Nachbetreuungsplätze

00:04:06: bietet aktuell.

00:04:07: Für Sub-Sythertschutzberechtigte und Asylwehrwaren kann man über den Fonds Soziales Wien Grundversorgungsplätze

00:04:17: bekommen, die aber halt für Erwachsene sind eigentlich.

00:04:21: Es gibt Nachbetragungsplätze, die sind aber mobilbetreuetes Wohnen und nicht die intensive

00:04:28: Betreuung, die junge Erwachsene eigentlich brauchen würden.

00:04:32: Wo kommen die dann unter?

00:04:34: Na eben in den Nachbetragungsplätzen, wo sich Privatwohnungen sehr prekärer Wohnen

00:04:40: messen, über Freunde, über Bekannte, die halt Matratzen haben und vermieten auch und vielleicht

00:04:48: auch mit Freunden in Wohnungen, Onkeln, die Wohnungen haben, die aber halt auch zu klein

00:04:52: sind in den meisten Fällen für so viele Personen.

00:04:56: Gut zurück zum Haus Erdberg, also zwischen 16 und 17 sind die jungen Männer, die da zu

00:05:03: euch kommen, Barbara, wie wichtig ist denn so ein Platz für diese jungen Leute, die da

00:05:09: aus Krisengebieten flüchten, einfach zu gefährlich, zu unsicher ist?

00:05:15: Ja, wenn wir jetzt von Kindern und Jugendlichen ausgehen, die flüchten, dann sind die häufiger

00:05:20: allein unterwegs bzw. mit irgendwelchen anderen Verwandten, Freunden, anderen Leuten, sehr

00:05:29: häufig sind es männliche, Jugendliche, die werden ja auch häufig geschickt in der Hoffnung

00:05:32: quasi, dass zumindest ein in der Familie in Sicherheit ist, dann ist meistens schon

00:05:37: prekärer Situation im Herkunftsland, die haben Krieger, die haben Gewalter, die haben Gewalt

00:05:42: und Folter am eigenen Leib erlebt, die waren Zeugen von Gewalt, die sind allein gelassen

00:05:46: worden in vielen Fällen, die haben Rollen übernehmen müssen, die eigentlich erwachsenen

00:05:52: Rollen sind, schon in früher Kindheit oder in einem früheren Alter, die sind also vielen

00:05:59: Schwierigkeiten ausgesetzt, die haben oft Alltagstrukturen, sind zusammengebrochen, dann haben sie

00:06:04: auf der Flucht meistens dramatische Situationen erlebt, die Fluchtgeschichte dauert oft

00:06:09: wahnsinnig lange bis sie wirklich in Österreich landen, dass sie auf viele verschiedene Stellen

00:06:13: an denen sie unter Umständen zeitweise unterkommen, dann wieder weiter, sie erleben sehr viel

00:06:18: Gewalter auf der Flucht und wenn sie dann herkommen, dann erleben sie ja auch hier nicht

00:06:23: sofort den totalen Frieden und die Sicherheit, sie haben unter Umständen Familie zurückgelassen,

00:06:29: sie wissen nicht, was mehr in ihrer Familie ist, sie haben vielleicht Kontakt oder auch

00:06:32: nicht, da werden sie nicht einfach so aufgenommen, dass sie überall nur Freunde finden und

00:06:39: überall nur sichere Orte und das Wichtigste, was solche Jugendliche brauchen, ist zunächst

00:06:43: einmal ein sicherer Ort, also ein Ort, an dem sie sich halbwegs sicher fühlen, ein Ort,

00:06:48: an dem sie zumindest die Chance haben sichere Beziehungen zu erwachsenen, aufzubauen, die

00:06:54: für sorglich sind, des sensibles sind und die auf ihre Bedürfnisse eingehen können.

00:06:58: Magdalena, du nix, wie kommen die Leute, diese Jungen da an bei uns?

00:07:07: Die meisten sind Syrer, da ist schon sehr lange Krieg, das ist eben wie du gesagt hast, sehr

00:07:14: lange Flucht, wenn viele Jugendliche, die von Kinderarbeit betroffenen oder Kinderarbeit waren,

00:07:20: die dann aber hier ankommen, glauben eben, sie können eine Schule besuchen, sie können

00:07:24: eine Ausbildung machen und das ist, wie die Barbara gesagt hat, oft nicht der Fall, es

00:07:29: ist ganz vieles unklar, es ist unklar, wie das Asylverfahren ausgeht, am Asylverfahren

00:07:35: hängt eine mögliche Familienzusammenführung, wenn es Familien gibt, auch die hängt, ist

00:07:41: mir Kosten verbunden, das heißt auch das ist unklar, es wird dann klar, dass man eben

00:07:45: nicht einfach eine Schule besuchen kann, weil die Ausbildungspflicht bis 18 gibt es für

00:07:50: Asylwerferinnen nicht, sondern nur für Menschen mit Aufenthaltsrecht in Österreich, ich glaube,

00:07:57: man nennt es ein bisschen anders, aber für Asylwerferinnen und Subseiterschutzberechtigte gibt es halt

00:08:00: Faktionen. Das heißt, da bricht für viele eine große Illusion einfach zusammen, ein

00:08:09: Traum. Ja, ich glaube, es ist nicht nur ein Traum, es ist schon auch eine Perspektive,

00:08:16: was man, also es ist irgendwie mehr, glaube ich, man baut seine ganze Zukunft drauf auf,

00:08:22: oft hat man zwölf ist, dass man in der Türkei genug Geld verdient, dass man irgendwo nach

00:08:26: Europa kommt, damit man irgendwie die Familie dann später in Sicherheit bringen kann und

00:08:31: dann kommt man an und merkt, egal was man dafür tut, dieses Ziel wird man vielleicht nicht

00:08:37: erreichen und das ist schon sehr schwierig, glaube ich, gleichzeitig. Und läuft ja auch

00:08:41: die Zeit, weil die Familien nachholen dürfen sie ja noch bis 18, genau? Nein, es geht dann

00:08:47: nach über einen anderen Aufenthaltssitz aber mit sehr viel Kosten verbunden, also ich genau,

00:08:52: und das geht sie dann halt auch nicht aus, die Familien haben das Geld de facto dann auch nicht,

00:08:58: dass dafür nötig wäre. Und auch die eigene zu, also man kann ja auch kein Geld schicken,

00:09:04: das ist ja auch was, was viele Jugendlichen wollen, weil man kann nicht arbeiten, im Asylverfahren

00:09:09: darf man nicht arbeiten, das macht es halt auch noch mal schwieriger, wenn man schon 17 ist,

00:09:15: schon viele Jahre gearbeitet hat und dann wird man von einer, dass die Familien sind auch enttäuscht

00:09:21: auf jeden Fall, das ist ein sehr großer Druck, denn viele Jugendliche dann auch verspüren,

00:09:25: also enttäuscht, ich glaube die Familien merken dann auch, sie haben auf etwas gesetzt und das

00:09:30: war die letzte Erfnung und das ist für Jugendliche, kommt man vor oft ganz schwer zu ertragen,

00:09:35: dass sie das nicht erfüllen können, was sie auch erfüllen möchten und zu sagen,

00:09:40: das ist für sie so ein Scheit dann, obwohl es so nicht ernst ist. Ja, und das ist ja sehr

00:09:43: schambesetzt und da gibt es auch eigene Einrichtungen, wo man versucht bei der Rückführung von

00:09:49: Jugendlichen oder auch jungen Erwachsenen, wenn man sie rückführt, dass man auch mit den Familien

00:09:55: weder mehr oder weniger schaut, dass die gut wieder bei der Familie ankommen können und diese

00:10:01: Situation aushalten, überhaupt dass sie hoffnungsdräger waren und das dann nicht erfüllen

00:10:06: können. Das heißt, es kommt zu den ganzen Traumata, die sie eh schon in der Herkunftsland erlebt haben

00:10:12: und in der Familie erlebt haben und auf der Flucht erlebt haben, kommt dann das obendrein noch

00:10:18: dazu. Aber vielleicht sind sie halt für die ganze Familie hoffnungsdräger, sie werden geschickt,

00:10:23: sie geht ja nicht nur um sie selbst, sondern um die gesamte Familie und diese Erwartungshaltung,

00:10:28: die schwierig. Ich glaube auch dieses Ankommen kommt mir oft vor und dann nicht, also zu merken,

00:10:39: dass sie nicht tun können und egal was sie tun, obwohl sie schon so viel erreicht haben,

00:10:46: also die Flucht war ja viel und sie haben unglaubliche Ressourcen, also dann glauben sie aber oft

00:10:53: oder haben dann Eindruck, sie können gar nichts, weil sie vielleicht nicht lesen und schreiben

00:10:56: können, dass sie aber so viele Fähigkeiten haben, das wird ihnen halt nicht zugesprochen und es ist

00:11:02: ja eine Erfahrung, auf die sie zurückgreifen, wenn sie jahrelang allein auf der Flucht waren.

00:11:06: Haben sie definitiv viel Lebenserfahrung, aus der man auch viel, glaube ich, wo sie viel wertvolles

00:11:12: mitbringen. Wie geht ihr jetzt mit diesen jungen Leuten im Haus Erdberg um? Wie kann man sich

00:11:19: dazu den Tagesablauf dann vorstellen, auch mit dieser Frustration, wie geht man die von denen

00:11:26: kommen? Wir versuchen uns die Bauwerfer vorher angesprochen hat, halt ein sicherer Ort zu sein,

00:11:31: ein erstes sicherer Ort, wo man ankommen kann und wo man sich sicher fühlen kann, wo man über

00:11:37: Probleme sprechen kann. Wir haben circa 50 Betreuerinnen aktuell und wir schauen, dass man

00:11:49: halt durch Bezugsbetreuung Beziehungen aufbaut und auch stabile Beziehungen eben wie du gesagt

00:11:55: das mit Erwachsenen führen kann und schauen kann, dass man Unterstützung bekommt. Wo es möglich ist,

00:12:02: machen wir auch Elternarbeit, also sprechen mit den Eltern, versuchen dazu unterstützen und den

00:12:06: Druck rauszunehmen, die Situation zu erklären. Das ist ja oft unklar für Jugendliche. Das System

00:12:11: zu verstehen ist für uns schwierig, für Jugendliche nochmal mehr schwierig, die aus ganz

00:12:17: anderen Systemen kommen. Wir versuchen, Tagesstruktur aufzubauen, also dass man halt, für viele ist es

00:12:24: nach der Flucht halt nicht selbstverständlich, dass man einen geregelten Tagesablauf hat,

00:12:29: gerade wenn es dann halt keine Ausbildung gibt oder keine Bildungswege. Das dauert halt oft

00:12:37: lange, bis man oder mehrere Monate, bis man zugebucht ist, bis man bei uns ist, war man ja oft

00:12:43: auch schon lange ohne Deutsch, also ohne irgendwelche Ausbildung und hat gewartet, dass man einem

00:12:48: Bundesland zugewiesen wird. Also versuchen wir da irgendwie wieder Tagesstruktur reinzubringen,

00:12:54: den Tagnachtrhythmus irgendwie hinzukriegen mit freizeitpädagogischen Angeboten, mit

00:13:01: Kooperationspartnern, die psychosoziale Angebote haben. Aber halt genau. Was sind da so Projekte,

00:13:10: die ihr so macht, so worauf bist du da vielleicht auch so ein bisschen stolz?

00:13:13: Also bei den Jugendlichen glaube ich immer gut ankommt, dass alles was mit Sport zu tun hat,

00:13:19: also Klett, Kickboxen, Fußballspielen. Wir haben Kooperationen zum Beispiel mit Kicken ohne

00:13:26: Grenzen, glaube ich, ein Jugendlicher konnte da, der war recht gut, der konnte letztes Jahr

00:13:29: dann nach Frankfurt fliegen, zum Turnier, das war glaube ich für ihn persönlich ein ganz großes

00:13:35: Highlight. Wir machen bei Projekten mit Beauschreibungen letztes Jahr bei UNICEF,

00:13:42: bei einem Malprojekt, da haben die Jugendlichen dann einen Sonderpreis gewonnen, wo sie war

00:13:48: Gleichheit und ein Bild gemalt haben mit einem Graffiti-Künstler über Gleichheit und Gerechtigkeit

00:13:55: oder? Ja, sehr cool. Und wir machen Projekte, also wir haben einen Fahrradworkshop gehabt, wo sie

00:14:04: gelernt haben Fahrräder zu reparieren, um irgendwie selber mobil zu sein und sich selbst

00:14:10: helfen zu lernen. Wir machen tagesstrukturierende Aktivitäten wie gemeinsames Einkaufen und

00:14:20: Frühstücken, um irgendwie auch zu lernen wie man mit Geld umgeht, das ist ja wenig ist.

00:14:25: Wie wichtig ist genau diese Struktur? Eines von wichtigsten, wenn Kinder und Jugendliche

00:14:33: dramatisiert sind, ist eines der wichtigsten Dinge, die wir sofort empfehlen, ist Alltagstruktur

00:14:38: wiederkehren, so eine gewisse Art von Normalität zumindest. Da gehört natürlich auch so was wie

00:14:43: in Anführungszeichen Schule, was lernen solche Dinge dazu, aber da können natürlich auch andere

00:14:49: Dinge dazu. Und da die Jugendlichen ja sehr häufig, sehr lange Zeit, jahrelang Alltagstruktur

00:14:55: verloren haben, ist es oft das wichtigste überhaupt denen wieder beizubringen in diesen

00:15:01: Strukturen zu funktionieren und auf diese Strukturen wieder, also praktisch so Alltagstruktur

00:15:11: ist was vorhersehbares, die haben in einem unvorheirsehbaren Kontext gelebt, dem nicht

00:15:15: wussten was am nächsten da passiert. Jetzt sollen sie wieder wissen was am nächsten da

00:15:20: passiert, was als nächstes passiert, das baut Vertrauen auf. Genauso wichtig wie das Vertrauen

00:15:24: in die Bezugspersonen ist das Vertrauen ins System und das ist natürlich vor dem Hintergrund

00:15:29: ganz schwer zu erwerben. Und wenn man da so kleine Elemente hat, wo man sagt, ich kann

00:15:34: mich zwar auf nichts verlassen, aber auf das kann ich mich verlassen, dann ist es schon

00:15:38: mal was. Und je besser es gelingt in der Situation so ein Basis Vertrauen aufzubauen,

00:15:43: desto besser funktioniert es für sie dann später, wenn sie wieder raus müssen aus der

00:15:47: Einrichtung. Und ihnen wahrscheinlich auch zu lernen, dass es okay ist jugendlich zu sein,

00:15:52: oder? Ja, die Chancen haben sie nicht wirklich so. Eher ihnen die Chance geben, wieder Kind

00:15:57: oder Jugendlicher zu sein und die Chancen haben sie ja oft von Kindheit an gar noch nie gehabt

00:16:01: und da gehört dazu, dass sie spielen darf, dass sie kreative Aktivitäten machen darf,

00:16:06: dass sie Bewegung haben ausreichend Sport und so weiter. Alles was unseren Jugendlichen

00:16:11: so selbstverständlich zur Verfügung steht, das ist für diese Jugendlichen was Besonderes

00:16:16: meistens. Gehen wir mal einen Schritt weiter, beziehungsweise

00:16:22: eigentlich einen Schritt zurück, nämlich zu den Kindern und Jugendlichen die nicht geflüchtet

00:16:26: sind, sondern einfach direkt in Krisengebieten leben müssen. Jetzt gibt es zwar das humanitäre

00:16:33: Völkerrecht, das Kindern hundertprozentigen Schutz ausspricht, Tatsache ist das die Realität,

00:16:40: da einfach auch anders ausschaut. Wir haben eine Podcastfolge auch zum humanitären Völkerrecht

00:16:44: gemacht, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, vielleicht wollen sie da auch mal rein hören.

00:16:49: Aber Barbara, erzähl uns doch mal, welchen psychosozialen Risiken sind denn Kinder jetzt

00:16:55: wirklich in Krisengebieten, sei es jetzt aktuell Ukraine oder Nahe Osten ausgesetzt? Du hast

00:16:59: das am Anfang schon angesprochen, aber konkretisier das doch nochmal ein bisschen, dass wir uns

00:17:05: daraus vorstellen.

00:17:06: Naja, das sind wie gesagt, wie vorhin schon gesagt, sie sind Zeugen von Gewalt sehr häufig,

00:17:11: sie sind auch Betroffene von Gewalt, Gewalt im Sinne von Kriegsgewalt, aber auch im Sinne

00:17:16: von innerfamilärer Gewalt. Sie sind oft allein gelassen, sie haben keine Möglichkeit in

00:17:23: die Schule zu gehen, ihre Alltagsstruktur bricht zusammen, Schule, Kindergarten und so weiter,

00:17:28: alle diese sicheren Alltagsstrukturen sind oft nicht gegeben. Sie werden oft in erwachsenen

00:17:35: Rollen getränkt, sehr früh, sie müssen unter Umständen arbeiten gehen schon als Kinder,

00:17:40: sie sind auf sich alleine gestellt, im täglichen Überleben und alle diese Bedingungen, je

00:17:49: nachdem in welchem Alter das Kind dem ausgesetzt sind, beeinträchtigt oder beeinflusst die

00:17:56: Entwicklung des Kindes. Also wir bemerken ja einen großen Unterschied bei Kindern, die

00:18:01: jetzt von klein auf in Kriegs-Situationen aufwachsen und welchen die zumindest schon

00:18:08: sichere Kindheit gehabt haben und dann später ist erst die Kriegs-Situation entstanden.

00:18:13: Ah ja, interessant.

00:18:15: Was habe ich jemals in meinem Leben, eine sichere Umgebung erlebt oder habe ich noch gar

00:18:19: nie erlebt?

00:18:20: Du bist ja auch Notfallpsychologin, wie schaut da so psychologische erste Hilfe aus?

00:18:27: Ja, was das Rote Kreuz und alle anderen Organisationen wie Unicef zum Beispiel machen ist. Wir gehen

00:18:34: normalerweise mit so einem Format rein, das heißt "child-friendly space", das heißt

00:18:38: man versucht in den Situationen, auch wenn sie noch so prekär sind, Kinder sichere Räume

00:18:44: zu erzeugen. Das heißt Bereiche, in denen Kinder sich aufhalten können, in denen geschulte

00:18:52: Personen sich um die Kinder kümmern, in denen Halbwegsicherheit herrscht, in denen sie

00:18:57: die Möglichkeit bekommen, sehr häufig schulartige Strukturen, zum Beispiel Kindergartenartige

00:19:02: Strukturen vorzufinden, aber auch eben solche Dinge wie zum Beispiel Spielen, dass sie die

00:19:08: Möglichkeit nochmal mal so spielen, dass sie auch einmal Spaß sein darf. Aber natürlich

00:19:13: auch solche Bereiche, wo man Dinge lernen kann, auch da schon in der Situation, weil

00:19:18: es geht da in der Situation, also in dieser prekären Kriegs-Situation oder chronischen

00:19:24: Konfliktsituation geht es ja auch darum, dass die Kinder auch in dieser Situation die Chance

00:19:28: haben müssen, sich halbwegs gesund zu entwickeln. Und dazu können diese Dinge, die gleichen

00:19:33: Dinge im Grunde wie die, die hier in Erdbeer gehen, den Kindern bieten, versucht man auch

00:19:38: da schon vor Ort zu bieten. Ganz viel Fokus geht natürlich auch auf die Unterstützung

00:19:42: der Bezugspersonen, dass man schaut, dass man die Bezugspersonen unterstützt, dabei,

00:19:46: dass sie die Kinder unterstützen, weil was man auch häufiger leben ist, wenn Bezugspersonen

00:19:51: traumatisiert sind, sind sie oft für die Kinder nicht wirklich verfügbar. Das heißt, sie

00:19:56: können sich nicht wirklich gut um die Kinder kümmern. Und deswegen tut zum Beispiel in

00:20:01: sehr großen Flüchtlingslagern in Jordanien zum Beispiel machen die Kollegen Sozialarbeiterinnen

00:20:07: und Psychologinnen gemeinsam immer so Gruppen für die Eltern, wo man die Eltern versucht

00:20:13: zu unterstützen, zu schauen, wo stehen sie an ihren Grenzen an, was können sie tun und

00:20:19: wie kann man gemeinsam versuchen für die Kinder auch in der Situation ein halbwegs gutes

00:20:26: Aufwachsen zu ermöglichen. Es klingt absurd, aber es ist mit wenigen Mitteln auch viel

00:20:31: möglich, weil man muss schon auch sagen, die Kinder bringen ja auch viel mit, also an

00:20:37: Möglichkeit und Resilienz jetzt in dem Sinne. Ich arbeite in dem Sinne in traumatischen

00:20:42: Situationen mit hin. Ich habe viel Lieberes mit dabei.

00:20:44: weil sie in Grunde viel leichter aktiviert war.

00:20:49: Da möchte ich noch einhaken.

00:20:51: Da hat die Kinderschutzbeauftragte des Internationalen Komitees des Rotkreuz

00:20:56: in einem Interview, was wirklich Wunderbares, wie ich finde, gesagt.

00:21:00: Und zwar, dass wir uns der spezifischen Bedürfnisse und Verletzlichkeiten

00:21:05: von Kindern bewusst sein müssen, ohne dabei ihren unglaublichen Sinn

00:21:11: für Hoffnung und ihre Widerstandsfähigkeit zu unterschätzen.

00:21:15: Das schlägt eigentlich genau in deine Kerle, oder?

00:21:18: Das bringt es auf den Punkt, weil alle die Dinge, die man versuchen, den Kindern,

00:21:22: versuchen wir im Grunde in diesen kindersicheren Räumen fünf Dinge zu ermöglichen.

00:21:26: Das eine ist Sicherheit, das heißt, sichere Art und Informationen,

00:21:29: dass in irgendeiner der Kletters drüber passiert.

00:21:32: Verbundenheit mit gleichhaltigen Fallen, mit anderen Kindern, aber auch mit Erwachsenen

00:21:37: und auch Verbesserung der Beziehung mit den Bezugspersonen.

00:21:42: Ruhe, das ist der Bereich, wo man versucht, Normalität, Alltagsstruktur zu ermöglichen

00:21:48: und ihnen die Möglichkeit gibt, sich auszudrücken, zum Beispiel,

00:21:51: sich kreativ auszudrücken.

00:21:53: Dann gibt es diesen Bereich der Selbstwirksamkeit, wo es ganz stark darum geht,

00:21:56: dass sie auch wieder lernen in einer Situation, wo man sich eigentlich primal

00:22:00: hilflos und ausgeliefert fühlt, trotzdem kleine Entscheidungen für sich selber

00:22:04: und für andere trifft, auch schon Rollen und Hilfe für andere zu übernehmen,

00:22:09: aber nicht im Sinne einer Parentifizierung altersgemäße Aufgaben übernehmen

00:22:14: und selber auch was entscheiden können.

00:22:16: Das, was ich da berichtet habe, ist allein mit den Radl reparieren

00:22:19: und dann kann ich mit dem Radl, dann bin ich mobil.

00:22:21: Das ist unglaublich, alles, was die Selbstwirksamkeit erhöht, ist so wichtig für die Kinder.

00:22:25: Und dann eben auch der Bereich Hoffnung und Hoffnung hast.

00:22:28: Das ist der Bereich, wo man zumindest ein bisschen eine Zukunftsperspektive

00:22:31: und sei es nur für den nächsten Tag gerade und wo man auch positive Emotionen haben darf.

00:22:36: Und wenn man jetzt bei den Kindern schaut, dann ist es so, dass die Kinder

00:22:41: meistens in drei Bereichen resilienzmäßig gefördert werden können

00:22:48: oder viel auch mitbringen.

00:22:49: Das eine ist dieser Bereich der Persönlichkeit des Kindes.

00:22:52: Da hängt es davon ab, hat das Kind ein gewissen Grundoptimismus sozusagen.

00:22:57: Ist das Kind in der Lage überhaupt nur auf andere einzugehen und Beziehungen aufzunehmen

00:23:01: und je besser das kann, desto besser kommt es auch durch.

00:23:04: Hat das Kind so passale problemlose Fähigkeiten.

00:23:07: Das ist der zweite Bereich, nämlich der Fähigkeitsbereich.

00:23:09: Und da, glaube ich, du hast gesagt, die Kinder bringen eine unglaublich viele Fähigkeit mit,

00:23:14: die sie auf der Flucht zum Beispiel gelernt haben.

00:23:16: Sehr, und diese ja Umsetzung können.

00:23:18: Also eben, die man dann auch in der Tagesstruktur setzen kann.

00:23:21: Genau.

00:23:22: Also wenn man jahrelang in einer Näherei war, kann man gut nähen

00:23:29: und das merken die gar nicht, dass das eine Ressource ist, die sie gut können.

00:23:33: Wir haben eben auch Neoburgshops.

00:23:35: Und ich finde, da merken sie dann wieder, ich habe schon mal was gelernt.

00:23:39: Also eben.

00:23:40: Genau.

00:23:41: Und wenn man das nicht ignoriert, diese Vorgeschichte,

00:23:43: sondern schaut, was bringst du für Fähigkeiten mit

00:23:45: und der positiv verstärkt, man muss es ihnen auch sagen,

00:23:48: man muss einen sehr geringen Selbstwert ihnen zu sagen, das kannst du gut.

00:23:53: Und das ist was Außergewöhnliches, dass du das andere Kinder kannst.

00:23:57: Nicht unsere Jugendlichen würden Kanntag überleben in den Bedingungen,

00:24:01: die ihr da gerade beschrieben habt.

00:24:04: Sie haben quasi einen Stolz auch.

00:24:06: Dann gibt es den dritten Bereich, der die Resilienz von einem Kind aus schlagbestimmt.

00:24:09: Das ist der Bereich, wo es von außen kommt.

00:24:12: Was haben Kinder?

00:24:13: Was haben sie zur Verfügung?

00:24:14: Haben sie Stabiliebesuchspersonen?

00:24:16: Haben sie irgendwelche Freunde?

00:24:17: Das müssen jetzt nicht enge Familie mitlesen,

00:24:19: kann auch wer anderer sein.

00:24:21: Irgend eine stabile Bezugsperson.

00:24:23: Haben sie solche Leute überhaupt?

00:24:25: Haben sie irgendein Ort von Schulsystemen schon erfahren?

00:24:28: Haben sie, was haben sie an Außenressourcen konsumieren können?

00:24:34: Beziehungsweise was haben sie auch?

00:24:36: Ich glaube, das ist aber halt auch schwierig,

00:24:39: weil eben dadurch, dass die Getreuung so kurz ist,

00:24:42: dass es so wenig Nachbereuchungsplätze gibt,

00:24:44: ist es halt so, dass das oft fehlt.

00:24:47: Es fehlt diese Sicherheit danach.

00:24:49: Es gibt für eine kurze Zeit, aber es ist immer diese Unsicherheit da,

00:24:52: was ist danach und was macht das Ankommen, glaube ich, auch so schwer.

00:24:57: Und ich glaube auch, wie man von außen gesehen wird,

00:25:01: ist es so schwierig für die Jugendlichen,

00:25:03: nämlich in Österreich zu sein und nicht Teil der Gesellschaft zu sein.

00:25:06: Weil es halt auch mit finanziellen Rassourcen verbunden,

00:25:11: wo man mitmachen kann, mit jedem Sportverein muss man was bezahlen.

00:25:15: Das heißt, man kann eigentlich schon mal nur hingehen,

00:25:18: wo es halt angeboten wird kostenlos für diese Zielgruppe.

00:25:22: Und diese Integration ist dann auch schwierig für sie.

00:25:26: Und sie sind dann halt einfach ein Teil am Rande der Gesellschaft

00:25:29: und können sie selbst nicht.

00:25:31: Also gerade im Schulsystem, glaube ich, wäre es leichter.

00:25:36: Und im Bildungssystem, aber da sind sie ja auch ausgeschlossen,

00:25:39: weil es gibt Deutschkurse, da ist man wieder nur in der Community

00:25:42: und in dem Umfeld, in dem man eh ist.

00:25:47: Ich möchte noch auf ein Thema zu sprechen kommen,

00:25:50: das bewaffnete Konflikt, den natürlich mit sich bringen,

00:25:54: und zwar, dass Familien einfach auseinandergerissen werden.

00:25:58: Das muss vermieden werden, das hat oberste Priorität,

00:26:03: also auch fürs rote Kreuz natürlich.

00:26:07: Wie funktionieren denn Familienzusammenführungen eigentlich?

00:26:12: Magdalena, wie kann man sie das vorstellen?

00:26:14: Wie geht man davor?

00:26:16: Und vielleicht gibt es da Erfolgsgeschichten, die du erzählen kannst?

00:26:20: Also was wir mit unseren Jugendlichen machen

00:26:23: oder halt eh alle UMF-Einrichtungen in Österreich machen,

00:26:26: wenn sie denn Asyl bekommen,

00:26:28: dann bekommen sie übers rote Kreuz Unterstützung

00:26:32: über die Familienzusammenführungsstelle,

00:26:35: die mit allen möglichen Behörden Botschaften zusammenarbeitet

00:26:38: und dann die Familie geht dann auf die Botschaft,

00:26:41: nachdem im Hintergrund die Asylanträge für die Familie gestellt werden

00:26:44: über den Jugendlichen, wie das Juristisch, genau, abläuft ist.

00:26:49: Ja, ja, genau.

00:26:52: Und dann dauert es halt, bis die Familie kommt, bis das geprüft ist.

00:26:56: Wir haben aber durchaus Jugendliche, obwohl es halt sehr kurz ist

00:26:59: und man oft auch davon ausgeht,

00:27:01: dass es auch ein Jahr oder länger dauern kann,

00:27:03: bis man die Dokumente zusammen hat, weil jeder braucht ein Pass.

00:27:06: Und das zu organisieren ist nicht so einfach,

00:27:09: wenn man auf einem Kriegsgebiet ist.

00:27:12: Wir haben, ich glaube, fünf Familienzusammenführungen im Haus im letzten Jahr gehabt,

00:27:18: wo die Familien nach Österreich gekommen sind

00:27:21: und vor die Jugendlichen auch volljährig waren,

00:27:23: was natürlich für die Jugendlichen auch ein großer Erfolg ist

00:27:25: und irgendwie ihnen dann auch Stütze gibt,

00:27:28: natürlich, wenn die Familie da ist.

00:27:30: Ja, was aber auch gemacht wird ist,

00:27:33: wenn Jugendliche den Kontakt oder auch Erwachsenen den Kontakt zur Familie verloren haben,

00:27:38: dass das Rote Kreuz unterstützt bei der Suche nach Familienangehörigen,

00:27:42: Übersuchanträge und genau.

00:27:46: Schauen wir uns jetzt vielleicht noch eine andere Seite der Krise an, nämlich Kinder.

00:27:55: Also in Österreich zum Beispiel, die jetzt nicht direkt betroffen sind,

00:27:58: aber doch ständig mit schlimmen Bildern von bewaffneten Konflikten,

00:28:04: Krisengebieten etc. konfrontiert sind, sei es im Fernsehen,

00:28:08: also auf Social Media, da ist es vieles sehr emotionsgeladen, vieles sehr einseitig auch.

00:28:14: Wie kann man Kinder und Jugendliche Barbara hier schützen bzw. unterstützen?

00:28:22: Das gilt ja für beide Gruppen.

00:28:25: Also das gilt für Kinder, die jetzt hier sind quasi in der sicheren Umgebung aufgewachsen,

00:28:29: das gilt aber genauso für Kinder, die aus dem Kriegsebiet herkommen

00:28:33: oder für die noch viel mehr.

00:28:35: Die Frage ist schon mal, wie alt ist das Kind?

00:28:37: Wenn jetzt von kleinen Kindern, sprich im Frorschulalter oder im Früchenschulalter,

00:28:42: ist das noch die ganz was anderes als beim Jugendlichen.

00:28:44: Klar, schon ein eigenes Handy hat.

00:28:46: Klar, bei kleinen Kindern geht es mal prima auch darum,

00:28:49: schon eine klare Regel und Struktur einzuführen,

00:28:52: zu schauen, wie oft schaut das Kind, wo schaut das Kind, was schaut das Kind

00:28:56: und schaue mit dem Kind vielleicht Nachrichten

00:28:58: oder schaue vielleicht Kinder Nachrichten mit dem Kind gemeinsam.

00:29:01: Gebe die Möglichkeit auch darüber zu sprechen, was ich da sehe.

00:29:04: Also es gibt einen Schutz im Sinne von einer Struktur und Regel,

00:29:08: einem Regelwerk.

00:29:09: Bei älteren Kindern und Jugendlichen wird das so nicht mehr funktionieren,

00:29:12: d.h. da muss sich die Kinder mit einbinden oder die Jugendlichen

00:29:15: und mit den Kindern gemeinsam einmal überhaupt zerstere Mal schauen,

00:29:19: was für Arten von Informationsquellen verwenden wir denn überhaupt?

00:29:25: Welche Arten von Informationsquellen sind vertrauenswürdig?

00:29:29: Was ist überhaupt ein Kriterium für die vertrauenswürdige Quelle?

00:29:32: Also viel, was mit Medienkompetenz eigentlich zu tun hat.

00:29:35: Dann aber auch teilweise bei den Jugendlichen vor allem,

00:29:39: Bewusstsein zu schaffen, vor allem bei den nicht betroffenen Jugendlichen.

00:29:42: Bewusstsein zu schaffen, diese Bilder sind nicht eine Gelegenheit

00:29:46: für eine Mutprobe.

00:29:47: Also es kann sein, dass ich halt ganz wahnsinnig viel aus an so schrecklichen Bildern,

00:29:52: wer anderer haltet vielleicht weniger aus und deswegen ist er nicht der Schwächling,

00:29:56: sozusagen zu lernen, ein der Gruppe Rücksicht zu nehmen und zu überlegen,

00:30:01: für manche geht das nicht so gut und das kann auch zu viel werden.

00:30:06: Und dann auch gemeinsam Regeln aufzustellen,

00:30:09: für wie man damit umgehen will und wo man die Grenzen ziehen will

00:30:12: und in welcher Form man die Grenzen ziehen will.

00:30:15: Und wir sagen immer, wenn es jetzt um diese Auseinandersetzung

00:30:20: mit bestimmten Situationen geht, zum Beispiel,

00:30:23: wenn ich jetzt in der Klasse mit einem bestimmten Thema auseinandersetze,

00:30:27: um eine deres Völkerrecht oder allgemein Kriegssituation,

00:30:31: dass es bei Jugendlichen schon hilfreich ist,

00:30:35: wenn man jetzt Jugendlichen zum Beispiel auch die Möglichkeit gibt,

00:30:38: selber bestimmte Dinge zu erarbeiten,

00:30:40: wie zum Beispiel einen politischen Hintergrund von einem Konflikt oder was immer.

00:30:43: Dabei muss ich mit den Jugendlichen aber vorher ganz genau darüber reden,

00:30:46: was für Regeln herrschen denn überhaupt

00:30:48: und wie wollen wir Bilder verwenden,

00:30:50: wollen wir überhaupt Bilder verwenden,

00:30:52: welche Bilder wollen wir verwenden und wie präsentieren wir das dann.

00:30:54: Und je mehr ich das mit ihnen gemeinsam erarbeitet

00:30:57: und je mehr ich in einer Bewusstseinschaft ist, desto besser.

00:31:00: Wir sagen immer, du musst dich aber an den Schwächsten orientieren,

00:31:04: das heißt, ich muss mir in der Gruppe immer überlegen,

00:31:06: wer haltet am wenigsten davon aus

00:31:08: und an dem orientiere ich mich bei allem, was ich für die ganze Gruppe mache.

00:31:11: Sonst muss ich vielleicht mit einzelnen Jugendlichen

00:31:14: auch in einem Anselsetting arbeiten oder mit kleineren Gruppen.

00:31:17: Das heißt, ich muss mir immer gut überlegen,

00:31:19: gerade bei diesen Nachrichten, das eine ist die Konfrontation

00:31:25: und gerade Social Media, die sind darauf ausgerichtet auf Konfrontation,

00:31:29: da arbeitet man fast nur mit Bildern und Bildern und Gewalt,

00:31:33: das hat einen unglaublichen Effekt.

00:31:36: Und das zweite ist die Wahrheit,

00:31:38: beziehungsweise die Botschaft, die mitgegeben wird, die auch...

00:31:42: Die nicht immer die Wahrheit ist, wie wir wissen.

00:31:45: Ja, und wenn es die Wahrheit ist, ist es vielleicht der Botschaft,

00:31:48: die problematisch ist.

00:31:50: Und das zu lernen, ist ganz was Wichtiges, wobei wir immer sagen,

00:31:54: man müsste eigentlich die Eltern beibringen

00:31:56: und die Erwachsenen beibringen, damit er umzugehen,

00:31:58: weil oft sind die Jugendlichen wesentlich kompetenter,

00:32:00: als man es vielleicht meint,

00:32:02: und die Erwachsenen teilweise sehr, sehr inkompetent

00:32:05: und wissen sehr wenig.

00:32:07: Und als Erwachsenen muss ich einfach wissen, was ich tun will,

00:32:09: wo ich schaue, wie funktioniert ein Twitter überhaupt

00:32:12: oder sonst irgendwas, was ich Instagram oder was immer sie vermeint.

00:32:16: Wie geht ihr im Haus Erdberg damit mit Social Media um?

00:32:20: Weil da geht es ja um die Betroffenen, Jugendlichen,

00:32:23: die tatsächlich sich etwas anschauen aus dem Gebiet,

00:32:26: wo sie herkommen.

00:32:28: Also wir thematisieren es auch, wir sprechen es an,

00:32:31: wir haben Workshops mit externen Partnerinnen,

00:32:34: wir versuchen Medienkompetenz zu stärken durch Computerkurse.

00:32:38: Und es ist halt für uns trotzdem schwierig,

00:32:42: weil es auch nicht, also in unserer Einrichtung leben 100 Jugendliche,

00:32:47: und obwohl die Betreuung glaube ich recht gut ist,

00:32:49: kriegt man viele Dinge nicht mit.

00:32:51: Gleichzeitig ist es für einen Großteil der Betreuerinnen auch nicht die Muttersprache,

00:32:55: dass man versteht auch nicht genau, was die konsumieren an Medien,

00:32:59: also einfach sprachlich schon.

00:33:01: Und wenn man darüber spricht, ist es natürlich,

00:33:04: weil sie betroffen sind, oft sehr, also es ist glaube ich noch mal emotionaler,

00:33:10: und sie fühlen sich dann halt auch oft nicht verstanden

00:33:13: und von unseren Medien oder von europäischen Medien irgendwie repräsentiert.

00:33:21: Das ist schon ein großes Thema, dass sie da viel alleine gelassen werden

00:33:28: und es wenig Anknüpfungspunkte auch gibt oder Diskussionsräume gibt für sie,

00:33:34: sicherer Diskussionsräume, die nicht wieder in...

00:33:37: Und was ist die Reaktion dann drauf, dass einige auch auf die Straße gehen?

00:33:42: Natürlich, sie provozieren dann auch, gehen also gerade die Demos,

00:33:47: die man wie gesehen haben, ist dann halt für sie auch eine Möglichkeit,

00:33:50: sich auszudrücken und ihre Meinung konzentrieren,

00:33:53: ohne dass sie sie vorher irgendwo auch reflektieren konnten und aufgefangen wurden

00:33:57: mit ihren Problemen.

00:33:59: Ist das die logische Konsequenz, dann war das aus Unverstandenheit?

00:34:04: Ja natürlich, aber das gilt für unsere Jugendlichen ja genau so.

00:34:07: Wenn man jetzt den Nauskonflikt nimmt, ist es ja so,

00:34:10: dass in Österreich und Deutschland ein sehr großes Zögern von der wachsenden Seite

00:34:15: immer ist sich überhaupt mit diesem Konflikt auseinanderzusetzen,

00:34:18: überhaupt mit Jugendlichen offen zu reden.

00:34:20: Sie werden relativ schnell moralisch im Sinne von,

00:34:23: alles was jetzt nicht israelfreundlich ist, ist gleich antisemitisch.

00:34:28: Und das ist für Jugendliche natürlich generell schon eine unglaubliche Provokation,

00:34:32: wenn man ihnen quasi in eine gewisse Richtung das Wort verbietet

00:34:36: oder das so moralisch abhandelt.

00:34:39: Für Jugendliche, die aus den Bereichen kommen oder sich selber identifizieren,

00:34:44: ist es nochmal schwieriger, weil sie das Gefühl haben,

00:34:47: sie werden da überhaupt nicht verstanden.

00:34:49: Du sprichst Jugendliche an, die sich quasi auf eine Seite der Konfliktparteien

00:34:53: stellen in der Schule und das auch kundtun?

00:34:55: Natürlich.

00:34:56: Wie sollen Lehrer dann damit umgehen?

00:34:59: Wir sagen in der Schule, gerade die Schule ist ein Ort,

00:35:01: wo man den Konflikt thematisieren muss.

00:35:03: Man muss aktuelle Krisen und Konflikten thematisieren mit den Kindern und Jugendlichen

00:35:07: und ich muss, gerade beim Nauskonflikt, jetzt muss ich ganz stark schauen,

00:35:11: dass sie auf eine andere Ebene kommen bei der Diskussion.

00:35:13: Das heißt, dass es sehr viel Informationen zum Ahnen gibt,

00:35:16: dass sie die Jugendlichen aber selber Informationen einbringen lassen

00:35:19: von beiden Seiten und dass sie dann auf die Ebene

00:35:22: von allgemeingültigen moralischen Werten gehen.

00:35:25: Also im Sinne von das, was die Sommernitäre Volkvölkerechte auch macht,

00:35:29: dass sie sagt, dass sie mal überlegt, ab wann werden denn so allgemeingültige moralische Werte verletzt

00:35:36: und die werden von beiden Seiten verletzt.

00:35:38: Das heißt, es gibt also ein ganz schönes Zitat von Erziruja Shaleft,

00:35:42: es hat der relativ am Anfang von diesem Konflikt geäußert

00:35:45: und der gesagt, sie hofft nicht, dass die arabische Seite oder die israelische Seite gewinnt bei dem Konflikt,

00:35:50: sondern sie hofft, dass die Gemäßigten gewinnen und diejenigen, die sich auf die Seite der Menschlichkeit stellen

00:35:55: und um das geht es eigentlich.

00:35:57: Es geht nicht um die Frage, wer ist jetzt der Täter?

00:36:00: Opfer gibt es auf beiden Seiten und Täter gibt es auch auf beiden Seiten

00:36:04: und für die Jugendliche muss es aber verständlich gemacht werden

00:36:07: und bei uns wird es aber nicht verständlich gemacht,

00:36:09: weil es wird sofort die Antisemitismus-Debatte begonnen,

00:36:13: was ich schon auch verstehe von unserem historischen Hintergrund her und allem,

00:36:16: aber für Jugendliche ist dieser Provocation.

00:36:19: Was unsere Jugendliche halt will?

00:36:20: Genau, weil unsere Jugendlichen verstehen den Hintergrund in der Debatte nicht,

00:36:27: weil sie halt auch nicht den historischen Hintergrund Österreichs kennen oder Deutschlands kennen

00:36:33: und weil sie halt sehr kurz in Österreich sind, hier nicht ein Bildungssystem durchlaufen haben

00:36:38: und ihre eigene Geschichte kennen, aber halt nicht, warum das bei uns auch ein Thema ist

00:36:42: und warum man vorsichtig sein muss mit dem Thema.

00:36:44: Das ist ihnen gar nicht bewusst.

00:36:46: Was ist dein Kugelschreiber?

00:36:50: Runtergefallen den Himmel noch schnell.

00:36:52: Da hittste das Gefälde.

00:36:53: Da hittste das Gefälde.

00:36:55: Genau.

00:36:56: Vielleicht kommen wir abschließend auch noch zu einem wesentlichen Punkt,

00:37:00: weil wir jetzt gerade bei Bildung und Schule sind, war es Schule,

00:37:05: für geflüchtete Kinder leisten sollte.

00:37:10: Wie kann man die da einfach besser integrieren?

00:37:13: Was sind da deine Ansätze?

00:37:15: Ich glaube, Schule könnte für sie eine Möglichkeit sein, in der Gesellschaft anzukommen,

00:37:20: was wichtig wäre, wie sie vorhin schon erwähnt.

00:37:22: Ich glaube gleichzeitig ist es aber auch wichtig,

00:37:24: dass sie mehr als einen Deutschkurs bekommen,

00:37:28: sondern Schule, damit sie wirklich ausreichend alphabetisiert werden,

00:37:33: damit sie eine Chance haben, auch später am Arbeitsmarkt

00:37:36: und überhaupt im Leben eine Chance haben.

00:37:38: Das kann man mit einem 3-4-Stündigen-Kurs am Tag nicht erreichen.

00:37:44: Es braucht es auch für die Tagesstruktur.

00:37:46: Es ist notwendig, dass ich für etwas aufstehe.

00:37:49: Die meisten Jugendlichen würden sehr gern für Schule aufstehen und für Bildung.

00:37:53: Das wäre wichtig und wäre auch eine ungenutzte Ressource.

00:37:59: Ich bleibe noch bei dir für die Schlussfrage.

00:38:03: Die berühmte gute Fee kommt und du hast 3 Wünsche fürs Haus Erdberg.

00:38:09: Was wäre denn das?

00:38:11: Ich würde mir mehr Ressourcen für die Tagesstruktur wünschen.

00:38:15: Überhaupt mehr Ressourcen wären wichtig in diesem Bereich.

00:38:19: Ich würde mir mehr Ressourcen für psychosoziale Angebote wünschen.

00:38:25: Es gibt in diesem Bereich wenig Muttersprachliches Angebot.

00:38:31: Das ist aber notwendig.

00:38:33: Es gibt Gruppenangebote wie Klettertherapie oder Musiktherapie.

00:38:37: Das wäre sehr wichtig.

00:38:39: Dafür kann man sich auch begeistern.

00:38:41: Das bräuchten Sie.

00:38:43: Jetzt habe ich noch ein Drittes Wunsch.

00:38:46: Ich würde mir wünschen, dass es mehr Möglichkeiten geben würde,

00:38:53: um anzukommen in der Gesellschaft.

00:38:57: Wir versuchen unser Bestes.

00:38:59: Ich merke, dass es möglich ist,

00:39:02: durch freiwilliges Engagement.

00:39:05: Auch bei Rotem Kreuz gibt es viele, die angekommen sind.

00:39:09: Es braucht viel mehr, dass Jugendliche ankommen können.

00:39:13: Und in Österreich ein Stück Heimat finden.

00:39:16: Und nicht nur die lüftlichen Unteranführungszeichen bleiben.

00:39:20: Barbara, auch an dich die Schlussfrage.

00:39:23: Wir haben viel über Bildung gesprochen.

00:39:27: Was ist dein Wunsch in diese Richtung?

00:39:32: Im Grunde ähnlich.

00:39:34: Es gibt dieses Problem der Transition.

00:39:37: Wenn man entwicklungspsychologisch auf Kinder und Jugendliche schaut,

00:39:42: dann wissen wir, dass das Jugendalter sich verlängert.

00:39:45: Bis ungefähr 25.

00:39:47: Das ist ein Problem.

00:39:50: Wir sehen bei den geflüchteten Männern das Problem,

00:39:53: dass sie nicht in die Schule gehen müssen.

00:39:56: Sobald sie Schulpflicht erfolgt ist.

00:39:59: Da braucht es einen Umdenken.

00:40:02: Es müsste auch für ältere geflüchtete Kinder,

00:40:05: auch wenn sie noch keinen Asylstatus haben,

00:40:08: die Möglichkeit geben, in die Schule zu gehen.

00:40:11: Die einzige Struktur ist,

00:40:13: die sie in die Gesellschaft ankommen lasst.

00:40:16: Schule selber würde man wünschen,

00:40:19: als ein Ort, wo man auf soziale Miteinander

00:40:22: und diese Offenheit gegenüber der Andersartigkeit sehr achtet.

00:40:25: Weil die Schule wäre ein guter Ort, um das zu lernen.

00:40:28: Und für die ganze Gesellschaft würde man auch wünschen,

00:40:31: dass man ein bisschen mehr Offenheit, Toleranz

00:40:34: und auch dieses soziale Miteinander,

00:40:37: gerade in unseren westlichen ressourcenstarken Gesellschaften,

00:40:40: dass man da mehr darauf achtet.

00:40:42: Weil das ist die einzige Möglichkeit,

00:40:44: wie wir alle ein bisschen krisenkompetent da werden.

00:40:47: Und das müssen wir werden,

00:40:49: weil wir werden immer mehr krisenkonfrontiert sein.

00:40:52: Schöner Abschlusssatz. Danke schön.

00:40:54: Danke Barbara. Vielen Dank, Quankdalena.

00:40:56: Danke, dass ihr beide da warts.

00:40:59: Und natürlich danke für die Aufmerksamkeit.

00:41:02: Das war der Podcast vom Roten Kreuz.

00:41:05: Gerne weiterzuempfehlen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.

00:41:08: Natürlich auch zu abonnieren.

00:41:11: Dieser Podcast, eh klar.

00:41:14: Und dann freue ich mich aufs nächste Mal.

00:41:16: Ich wünsche uns das Beste von ganzem Herzen.

00:41:18: Alles Schöne, Ihre Isabella Richter.

00:41:20: [Musik]

00:41:25: SWR 2020

Über diesen Podcast

In Österreichisches Rotes Kreuz - der Podcast holen wir die Menschen vor den Vorhang, die tagtäglich die Arbeit leisten, für die das Rote Kreuz in Österreich und weltweit steht.
Mit Mitarbeiter:innen, Freiwilligen und Menschen aus der Gesellschaft beleuchten wir die Tätigkeitsfelder der größten humanitären Bewegung.
Es werden bewegende, informative, teilweise lustige aber immer interessante Geschichten zu den unterschiedlichen Bereichen erzählt.

von und mit Österreichisches Rotes Kreuz

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