Österreichisches Rotes Kreuz - der Podcast

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00:00:00: Was ist, wenn jemand stirbt in meiner Familie? Was heißt denn das für mich?

00:00:06: Unser höchstes Ziel ist, die Menschen so gut wie möglich wieder handlungsfähig zu machen.

00:00:11: Die meisten Bedroffene sind sehr froh, dass da jemand ist, der sie in den ersten Stunden an die Hand nimmt.

00:00:17: Ich glaube, wichtig ist einfach auch anzuerkennen, dass das sehr komplexe Situationen und Ereignisse sind.

00:00:24: Österreichisches Rotes Kreuz, der Podcast.

00:00:28: Ja, damit wieder aufs allerherzigste Willkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

00:00:36: Isabella Richter ist mein Name. Sehr schön, dass Sie zuhören. Ich freue mich.

00:00:41: Diese Situation, die man ja oft aus Filmen kennt.

00:00:46: Die Polizei, ich glaube, dann die Tür von einer Wohnung oder einem Haus.

00:00:51: Meistens sind es zwei, drei Leute, ernste Gesichter.

00:00:56: Und als Zuschauer, Zuschauerinnen, da weiß man schon, die werden jetzt eine schlimme Nachricht überbringen,

00:01:03: wahrscheinlich vom Tod eines geliebten Menschen.

00:01:07: Ja, leider passieren solche Szenen nicht nur im Film, sondern tatsächlich auch im echten Leben natürlich.

00:01:12: Und in vielen Fällen kommt hier ein Kriseninterventionsteam zum Einsatz,

00:01:17: um eben Betroffenen so in den ersten schwierigen Stunden zu helfen, für sie da zu sein.

00:01:24: Also, weil es noch ein Beispiel, wo Krisenintervention ganz wichtig ist.

00:01:28: Wir hören jetzt gleich viel mehr über diese Berufung.

00:01:33: Beruf ist es definitiv nicht.

00:01:35: Und wir schauen uns auch an, wie dem Kriseninterventionsteam selbst geholfen wird beim Roten Kreuz.

00:01:41: Man kann sich vorstellen, dass das natürlich auch sehr belastend sein kann,

00:01:44: Menschen in solchen Schocksituationen in den ersten Stunden zu begleiten.

00:01:49: Ja, damit darf ich meine heutigen Gäste sehr, sehr herzlich begrüßen.

00:01:53: Das ist auf der einen Seite Monika Sticke,

00:01:55: stellvertretende Bundesrettungskommandantin und Abteilungsleiterin für Rettungsdienst

00:02:01: und psychosoziale Betreuung beim Roten Kreuz.

00:02:04: Hallo Monika.

00:02:05: Servus.

00:02:06: Du fährst auch selbst ehrenamtlich im Rettungsdienst und bist Kriseninterventionsmitarbeiterin.

00:02:12: Richtig, ja.

00:02:13: Super.

00:02:14: Und ich begrüße Petra Illich.

00:02:15: Hallo Petra.

00:02:16: Hallo.

00:02:17: Du bist Teamleiterin des Kriseninterventionsteams in der Bezirksstelle Baden,

00:02:21: wo eben auch die Monika arbeitet.

00:02:24: Petra, vielleicht erzählst du uns mal, was ist denn genau Krisenintervention?

00:02:30: Also, wann werdet ihr gerufen?

00:02:33: Also, für gewöhnlich, wenn wir gerufen werden, ist jemand verstorben.

00:02:39: Also, das kann man sehr gut zusammenfassen oder auf den Punkt bringen.

00:02:43: Das heißt, das sind für gewöhnlich, das kann sein in einer schon in einer langen Beziehung,

00:02:50: ist ein Ehepartner verstorben.

00:02:51: Das sind auch Einsätze, die wir ganz häufig haben.

00:02:54: Man glaubt immer, es ist eine große Katastrophe passiert oder es ist jemand, ein junger Mensch,

00:02:59: irgendwie aus dem Leben Verunfall zum Beispiel, aber das muss gar nicht immer so sein oder

00:03:04: viele unserer Einsätze sind auch, wenn einfach ein von einem langjährigen Ehepaar, sozusagen

00:03:10: ein Ehepartner zum Beispiel, verstirbt.

00:03:12: Und wir werden aber nicht nur in solchen Situationen gerufen, da ist es so, dass der Notarzt

00:03:20: oder die Kollegen aus dem Rettungsdienst uns alarmieren.

00:03:23: Wir begatten zum Beispiel auch die Polizei, wenn die Polizei eine Todesnachricht überbringen muss.

00:03:28: Das werden dann die Situationen, die du geschildert hast.

00:03:32: Da ist es so, dass die Kollegen von der Polizei uns meistens eben schon vorab informieren und auch mitnehmen.

00:03:39: Und dann, genau, geht es darum, die Betroffenen, die Angehörigen, Hinterbliebenen zu betreuen

00:03:46: und ihnen einfach in den nächsten Schritten, nachdem sie diese Nachricht oder das Erlebnis auch durchdebten haben, sie dazu begleiten.

00:03:56: Jetzt ist natürlich jeder Einsatz anders, das ist klar, aber gibt es so ein bisschen so einen Grundablauf, wie ihr davor geht, Monika?

00:04:04: Also grundsätzlich ist es so, dass wir durch Einsatzkräfte alarmiert werden, also entweder dem Rettungsdienst verordert,

00:04:11: der Polizei, Feuerwehr, manchmal auch von der Bestattung.

00:04:15: Und nach dieser Alarmierung finden sich in der Regel zwei Kolleginnen oder Kollegen, die den Einsatz übernehmen.

00:04:22: Die rufen sich dann zusammen und besprechen so die ersten Schritte.

00:04:27: Also wo trifft man sich? Man geht üblicherweise auch gemeinsam dann in diese Familie

00:04:33: und holt natürlich auch Informationen ein vom Rettungsdienst, nämlich was ist denn dort passiert,

00:04:38: wenn Menschen sind zu betreuen, so ein bisschen um auszuloten, was kann ich denn dort erwarten?

00:04:45: Und ihr geht es immer zu zweit?

00:04:47: Wir gehen zu zweit in den Einsatz.

00:04:49: Das hat auch den Grund, also erstens als Sicherheit, wenn man eine Kollegin, eine Kollegin mithat, ist es einfach angenehmer, sicherer.

00:05:00: Und es ist auch oft so, dass man als Mensch keinen Zugang hat zu dem Betroffenen oder zu der Betroffenen

00:05:07: und dann versucht sie mit den Kolleginnen oder der Kollegen, wenn da ein besserer Draht ist.

00:05:14: Und oft ist es auch so, dass wir uns teilen, glaube ich, eine Kollegin und Kollege ist bei den Betroffenen betreut und

00:05:22: der zweite macht diese ganzen organisatorischen Geschichten, also was ist nicht die Bestattung, Anrufen und Ausmachen,

00:05:29: wann die kommen und ähnliche Sachen.

00:05:32: Jetzt sind diese Menschen in totalen Ausnahmesituationen und das ist ja eigentlich sehr, sehr persönlich.

00:05:39: Warum lassen sich die von fremden Menschen so gerne helfen?

00:05:45: Also ich nehme an, sie lassen sich gerne helfen.

00:05:49: Meistens wissen sie es erst nachher, dass es gut war.

00:05:53: Ja, es ist so, dass die Kollegen vor Ort natürlich fragen, ob die Betroffenen eine Betreuung wünschen.

00:05:59: Kann man natürlich auch ablehnen.

00:06:01: Ich würde das gar nicht wissen, ob ich das will oder nicht.

00:06:04: Ja, die meisten sagen dann eh ja.

00:06:06: Und dann kommen wir mal und manchmal stellt sich auch heraus, dass die nichts brauchen oder das gar nicht wollen, dann ist es auch gut.

00:06:13: Dann gehen wir wieder.

00:06:14: Aber die meisten Betroffenen sind sehr froh, dass da jemand ist, der sie so in den ersten Stunden an die Hand nimmt

00:06:23: und mit ihnen diese ersten Schritte geht, weil halt ganz viele sich noch nicht damit beschäftigt haben, was ist, wenn jemand stirbt in meiner Familie?

00:06:34: Was heißt denn das für mich?

00:06:36: Was heißt das organisatorisch?

00:06:38: Wie muss ich denn jetzt anrufen?

00:06:40: Also ganz banale Dinge oft.

00:06:42: Oder es gibt Angehörige, die nicht am selben Ort sind, die man noch anrufen muss, dass sie mir auch dabei zu sagen, wenn er ruft.

00:06:51: Ich würde die dann an oder nein?

00:06:53: Nein, also das, was wir machen, wir geben den Betroffenen einfach den Tipp zum Beispiel zu fragen, wo ist denn der jetzt gerade?

00:07:01: Nicht, dass der im Auto unterwegs ist und ich überbringe dem die Nachricht, dass jemand verstorben ist, sondern gebt, wenn du zu Hause bist, rauf mich zurück.

00:07:10: Also so ganz kleine Tipps eigentlich nur.

00:07:14: Und zum Beispiel, dass informierende Angehörigen auch so ein Schritt in Richtung wieder selber handlungsfähig zu werden.

00:07:20: Also wie in der Krisenintervention unser höchstes Ziel ist, die Menschen so gut wie möglich wieder handlungsfähig zu machen

00:07:27: und sie dabei zu unterstützen, Angehörige auch darüber zu informieren, was passiert ist und sich vorher auch zu überlegen, wie mache ich das eben, genauso wie es die Monika gerade gesagt hat, so zu klären.

00:07:38: Was ist ein gutes Setting, um die Person noch zu informieren und mit welchen Worten mache ich das auch?

00:07:43: Das ist ja ein Unterschied, ob ich das auch, je nachdem wer das ist und welche Angehörige das ist, macht einen Unterschied, wie ich das auch formuliere.

00:07:53: Zum Thema Kinder kann man sicher auch noch, aber das ist ein ganz anderes Punkt.

00:07:58: Ja, da kommen wir doch nicht tatsächlich per DUDA-Persie.

00:08:00: Ist das mit den Betroffenen immer per sie?

00:08:02: Immer per sie.

00:08:03: Genau.

00:08:04: Warum ist das so wichtig?

00:08:07: Das ist ein bisschen eine Barriere.

00:08:09: Also wir sind die Helfer, die hineinkommen in diese Familie, aber wir gehören nicht dazu.

00:08:14: Also es ist schon eine gewisse Distanz, die auch uns schützt.

00:08:18: Also nicht nur die Betroffenen.

00:08:20: Wir finden das übergriffig, wenn ich mit denen per DUDA wäre, aber es ist auch ein bisschen ein Schutz für uns, uns abzugrenzen.

00:08:27: Das ist nicht unser Todesfall.

00:08:30: Es ist quasi ein Stück Resilienz, um es mal so auszudrücken. Resilienz wird heute auch noch ein großes Thema sein.

00:08:41: Bleiben wir noch ein bisschen bei den Betroffenen.

00:08:43: Das ist in dem Schockzustand.

00:08:45: Wie äußert sich das?

00:08:47: In welche Facetten gibt es da?

00:08:50: Ganz unterschiedlich.

00:08:52: Es gibt Menschen, die sehr emotional sind, tief betroffen sind, weinen, manchmal auch schreien.

00:08:59: Die Emotionalität ist sehr nach außen geahnt.

00:09:03: Es gibt auch Menschen, die ganz tief versunken sind in ihrer Trauer, in ihrer Emotion, auch im Schock.

00:09:11: Zu denen es gar nicht so einfach ist, einen Zugang zu finden, mit Sprache zum Beispiel.

00:09:17: Wo man das Gefühl hat, man trinkt einfach nicht durch, weil die noch ganz woanders sind.

00:09:23: Ganz oft geht einfach mit dem Schock auch ein Nicht-Realisieren einher.

00:09:28: Dass das nicht wahrhaben wollen, dass das tatsächlich passiert ist.

00:09:32: Das ist eine Begleiterscheinung, mit der wir ganz oft auch konfessisch sind.

00:09:38: Ich kann das jetzt nicht glauben.

00:09:40: Das gibt es nicht.

00:09:42: Das kann ja nicht sein.

00:09:44: Warum ist das jetzt passiert?

00:09:47: Was sagt man da drauf?

00:09:49: Ich kann das jetzt einfach nicht beantworten.

00:09:53: Wir wissen das nicht, warum das passiert ist.

00:09:57: Ganz oft, wenn es ein sehr plötzlicher Todesfall war, durch einen Unfall oder Ähnliches.

00:10:04: Warum muss das gerade heute passieren?

00:10:07: Warum muss das gerade ihm oder ihr passieren?

00:10:09: Warum muss das gerade mir passieren?

00:10:11: Immer diese Frage nach dem Warum, die man nicht beantworten kann.

00:10:15: Wir versuchen dann schon, das natürlich anzuerkennen.

00:10:20: Also diesen Zustand der Betroffenen, der sozusagen so was ist wirklich unglaublich.

00:10:26: Man kann das nicht fassen.

00:10:28: Gleichzeitig ist das passiert.

00:10:30: Also schon nach, sie ein Stück dorthin zu führen, diesen Realisierungsschritt gehen zu können.

00:10:36: Also beides ist wichtig.

00:10:38: Stichwort Handlungsfähigkeit.

00:10:40: Habt ihr vorhin schon angesprochen, was gibt es da noch für Methoden, Tools,

00:10:46: um die den Betroffenen zurückzugeben, diese Handlungsfähigkeit?

00:10:51: Das sind oft ganz einfache Dinge, wie können wir bitte Tasse Tee haben.

00:10:57: Also einfach dieser Schritt aus dieser Schockstare heraus zu sagen,

00:11:01: ich bin noch fähig, was zu tun.

00:11:04: Und wenn es nur eine Tasse Tee ist und Wasser zu kochen.

00:11:08: Also ganz einfache, ganz einfache Tools eigentlich.

00:11:12: Jetzt sind natürlich auch oft Kinder betroffen.

00:11:15: Wie erklärt man denen den Tod?

00:11:19: Oder trennt man die dann auch von den anderen, wenn...

00:11:24: Nein, ein großes Kopf schütteln.

00:11:26: Okay, nein, verstehe.

00:11:29: Wie geht es dir da vor?

00:11:31: Also unsere Erfahrung ist, dass man im Kontakt mit Kindern, was den Tod anbelangt,

00:11:37: als Erwachsener oft sehr vorsichtig ist.

00:11:39: Also dass man eigentlich versucht, die Kinder zu schützen,

00:11:42: vor etwas, dass man diese Klarheit, diese Entgültigkeit, die der Tod hat,

00:11:49: dem Kind nicht zumuten möchte oder kann.

00:11:52: Und unser... also wir wirken darauf ein, dass man sich das traut als Erwachsener,

00:11:58: weil die Kinder das auch verkraften können.

00:12:01: Und man kann es ihnen zumuten.

00:12:03: Und man muss es ihnen auch ein Stück zumuten, weil es wichtig ist,

00:12:06: dass Kinder eben auch, also auch für ihre eigene Verarbeitung,

00:12:09: es wichtig ist, dass sie verstehen, dass es diesen Menschen,

00:12:13: die Oma, den Opa, nicht mehr gibt im Leben.

00:12:17: Und das kann man auch gut erklären.

00:12:19: Es ist auch wichtig in der Erklärung Worte zu finden, die nicht die Fantasie anregen.

00:12:25: Also zum Beispiel, der Opa ist eingeschlafen,

00:12:27: oder ist jetzt im Himmel, oder ist jetzt ein Engel.

00:12:30: Solche Dinge empfehlen wir nicht,

00:12:32: sondern wir empfehlen, sehr klar zu erklären, was eigentlich im Körper passiert,

00:12:36: wenn der Tod eintritt, nämlich sowas zu sagen,

00:12:39: wie das Herz vom Opa hat aufgehört zu schlagen.

00:12:42: Und deshalb ist er jetzt, kann er nicht mehr atmen,

00:12:45: und deshalb ist er nicht mehr da.

00:12:47: Also sehr gut zu erklären, was eigentlich passiert.

00:12:49: Ja, früher gab es ja noch immer dann diese, diese Geschichten.

00:12:52: Der Opa, der schaut dir jetzt immer zu und passt auf dich auf.

00:12:55: Genau, gruselig.

00:12:57: Oder wenn du schlimm bist, dann, also der sieht das alles und so.

00:13:02: Also da habe ich jetzt noch ein bisschen den Horror.

00:13:05: Ja, das war halt einfach früher so, aber davon ist man Gott sei Dank,

00:13:08: dass ich jetzt abgegangen bin.

00:13:10: Und Kinder merken ja, was in der Familie vorgeht.

00:13:14: Also die merken ja auch, dass die Eltern, die die Eltern trauen.

00:13:17: Es wurde auch die eigene Trauerarbeit eigentlich nur mit sich selbst ausgemacht,

00:13:20: und immer von den Kindern so gut geht, irgendwie ferngehalten.

00:13:23: Ja, aber die merken das ja.

00:13:25: Und dann auch eher verstört, wenn sie nicht wissen, warum die Eltern so sind.

00:13:29: Egal.

00:13:30: Aber wenn man den Kindern das erklärt, natürlich alt ist das gerecht.

00:13:33: Also ein Dreijähriger wird eine andere Erklärung brauchen,

00:13:35: also ein Sechsjähriger.

00:13:37: Aber auch diese Dinge zu sagen, das Kind darf mit auf die Beerdigung gehen.

00:13:41: Auch für Kinder kann das ein guter Abschluss sein.

00:13:44: Also Kinder nicht automatisch auszuschließen von diesen Dingen.

00:13:48: Und sobald sie irgendwie alt genug sind,

00:13:50: zu sagen, das möchte ich oder das möchte ich nicht.

00:13:53: Das ist in einem Interview gesagt,

00:13:56: dass es auch wichtig ist, dass die Kinder mithelfen vielleicht,

00:14:01: bei den Bestattungs-, bei der Organisation, Blumen, aussuchen und so weiter.

00:14:06: Ein bisschen aussuchen oder ähnliche Dinge,

00:14:08: einen Spruch auszusuchen, der auf der Parte steht.

00:14:11: Man kann ja Kinder genauso, das sollte ja auch als Familie passieren.

00:14:16: Das, was dann danach kommt, das kann man Kinder sehr gut einbinden.

00:14:21: Was ist das für eine kleine Situation?

00:14:24: Was ist denn eigentlich,

00:14:26: wir haben jetzt immer von Schockzustand gesprochen,

00:14:30: das geht ja sehr hand in hand auch mit einem dramatischen Erlebnis.

00:14:35: Was ist denn konkret ein Trauma,

00:14:38: das in weiterer Folge zu einer Krise auch mit unterführen könnte?

00:14:42: Also wir sprechen von einem Trauma,

00:14:45: wenn deine persönlichen Bewältigungsmechanismen

00:14:49: nicht mehr ausreichen, diese Situation irgendwie zu handeln.

00:14:54: Das kann jetzt Spuren hinterlassen, muss aber nicht.

00:15:00: Also jeder von uns hat schon Situationen erlebt wahrscheinlich,

00:15:04: wo man sagt, das geht jetzt über meine Kenntnisse,

00:15:08: ich kann das einfach nicht mehr managen.

00:15:12: Und je nachdem, was diese Situation ist,

00:15:15: ist es eine traumatische Situation oder nicht.

00:15:19: Und wenn du dir Hilfe holst, also wenn du Ressourcen hast,

00:15:23: auf die du zurückgreifen kannst, eignere Sourcen,

00:15:26: nämlich was hast du schon erlebt und welche Traum,

00:15:29: jetzt unter Anführungszeichen, hast du schon gut abgearbeitet,

00:15:32: umso resilienter wird man.

00:15:34: Also das sind wir wieder bei dem Begriff Resilienz,

00:15:37: das ist jetzt nicht per se Widerstandsfähigkeit,

00:15:39: sondern eher dieses, muss ich sagen,

00:15:41: ein großtraumatisches Wachstum, nämlich ich habe eine Situation erlebt,

00:15:46: ein Trauma, eine Krise und habe die gut geschafft

00:15:51: und bin quasi an dem gewachsen.

00:15:54: Und die nächste Krise oder das nächste Trauma

00:15:57: werde ich dadurch resilienter bestehen können.

00:16:00: Es ist ein bisschen, ich stelle es mir immer so vor wie so eine Sprungfeder,

00:16:04: die sich dann in einer schwierigen Situation ausdehnt,

00:16:08: aber irgendwann wieder in den Normalzustand zurückkommt.

00:16:12: Das ist für mich so ein Bild von Resilienz.

00:16:15: Du sagst, 90% der Menschen in westlichen Ländern erleben

00:16:19: zumindest das einmal im Leben ein Trauma.

00:16:21: 90%, das kommt mir echt viel vor.

00:16:24: Das heißt ja nicht, dass jeder aus diesem Trauma

00:16:27: schreckliche Dinge mitnimmt, sondern es sind oft,

00:16:31: also ein Trauma kann auch sein, mein Vater ist gestorben.

00:16:36: Und viele von uns haben diese Dinge schon erlebt.

00:16:39: Das heißt ja nicht, dass mich dieses Trauma jetzt komplett aus der Bahn wirft.

00:16:44: Das ist ein Ereignis in meiner Biografie.

00:16:47: Das heißt, viele Menschen haben Traumata und können einfach gut damit leben.

00:16:56: Da hat keiner weiteren Auswirkungen auf ihre Entwicklung.

00:17:00: Muss ich auch nicht therapieren?

00:17:02: Geht das überhaupt ganz weit weg von irgendeiner Therapie?

00:17:06: Wie bemerke ich, dass ich traumatisiert bin?

00:17:10: Es gibt ein paar Anzeichen, die darauf hinweisen,

00:17:16: dass man sich dem Thema nochmal annehmen sollte.

00:17:20: Das sind zum Beispiel, wenn man nicht mehr gut schlafen kann,

00:17:23: zum Beispiel etwas, was häufig auftritt,

00:17:27: wenn man ein Trauma auch erlebt hat,

00:17:30: und eben traumatisiert ist, dass man die Stelle vermeidet,

00:17:33: an der es stattgefunden hat.

00:17:35: Also wenn es zum Beispiel ein Unfall ist,

00:17:37: dass man einen anderen Weg wählt, um dort nicht vorbei zu kommen.

00:17:40: Also so ein Vermeidungsverhalten, wenn so etwas auftritt,

00:17:43: dann könnte das einen ein bisschen hellhörig werden lassen

00:17:48: in der Selbstbeobachtung.

00:17:50: Aber auch wenn es sowas wie Flashbacks oder so gibt.

00:17:53: Also wenn man das Gefühl hat, man erlebt die Situation immer und immer wieder

00:17:57: und kann das auch nicht richtig loslassen.

00:18:00: Das sind alles Hinweise, dass man eben ein bisschen anders als die Monika

00:18:04: jetzt auch geschildert hat, sozusagen es noch nicht gut verarbeitet hat

00:18:08: und sich dem schon, sich da vielleicht schon auch Unterstützung holen sollte.

00:18:12: Also einfach, wenn es das eigene Leben beeinträchtigt,

00:18:16: dann sollte man was machen.

00:18:18: Und ein Trauma kann auch Jahre, Jahrzehnte später einfach wieder hochkommen,

00:18:21: oder sehe ich das richtig?

00:18:22: Absolut, ja.

00:18:23: Also normalerweise ist so eine traumatische Situation,

00:18:26: wenn man hat das zum Beispiel im Rettungstienst,

00:18:28: wo halt vielleicht Sanitäter zu einer besonders,

00:18:30: mit einem besonders schwierigen Einsatz waren,

00:18:33: dann haben die natürlich schon die Bilder im Kopf

00:18:36: und das kommt halt wieder und sie schlafen vielleicht ein, zwei Tage schlecht.

00:18:40: Das ist eine ganz normale Reaktion,

00:18:42: weil unser Gehirn diese Situation verarbeitet.

00:18:45: Wenn das so wie die Petra sagt, wenn das dann länger dauert

00:18:49: und immer wieder kommt, dann muss man hinschauen

00:18:52: und muss sagen, da ist noch was offen.

00:18:55: Also da sind wir jetzt schon mittendrin eigentlich im Thema Resilienz,

00:19:01: wo man natürlich sagen, einsatzkräfte Rettungsdienst, Notärzte, Sanitäter,

00:19:06: ihr, ja alle habt's, seht's einfach viel Schlimmes

00:19:12: und viel mehr als der Durchschnittsbürger oder die Durchschnittsbürgerin,

00:19:16: das ist einfach so.

00:19:18: Seid ihr alle Resilienter als die anderen Menschen?

00:19:24: Ja, sind wir ja.

00:19:26: Also es gibt sogar Studien dazu, dass es im, dass Sanitäter...

00:19:29: Petra lacht.

00:19:30: Sanitäter und Sanitäter...

00:19:31: Allerweil, jeden Tag wäre es schön, wenn man so Resilienten wählt.

00:19:36: Vielleicht sollte man ein bisschen aufräumen.

00:19:38: Also auch Sanitäter warten nicht jeden Tag knökelt durchs Blut, ja.

00:19:41: Ja, ja.

00:19:43: Aber sie erleben natürlich schon Situationen,

00:19:45: die auch weit weg von ihrer eigenen Lebenswelt sind.

00:19:48: Also wenn sie in einen Messehaus halt kommen

00:19:51: oder die alte Dame nach Hause bringen und merken, da ist niemand.

00:19:56: Also oft einmal diese sozialen Indikationen, die oft viel belastender sind

00:20:00: als wenn jemand eine stark blutzende Wunder hat.

00:20:03: Oder weiß ich genau, was ich tun soll.

00:20:05: Also, und wir sind schon Resilienter, weil wir halt das öfter haben

00:20:11: und weil wir auch, wir werden auch geschult darin zu sagen,

00:20:15: dass es diese Situationen geben kann.

00:20:17: Also wir werden darauf vorbereitet

00:20:19: und es gibt das System zu sagen, wenn es mir jetzt nicht gut geht

00:20:23: und wenn diese Situation jetzt, was ist,

00:20:25: ich alleine nicht mehr bearbeiten kann,

00:20:28: dann gibt es ein System, das mich auffällt.

00:20:30: Also im Dieses Kollegenhilfesystem. Und das sind halt speziell ausgebildete Kolleginnen und Kollegen,

00:20:36: zu denen ich gehen kann. Also der Einsatz war jetzt heftig, da würde ich gern darüber reden.

00:20:42: Und wie oft könnt ihr das in Anspruch nehmen? Immer.

00:20:47: Immer.

00:20:48: Und macht ihr das auch regelmäßig?

00:20:51: Also wir haben in der Krisenintervention zum Beispiel bei uns im Team ungefähr zweimal im Jahr fix eine Supervisoren vor Ort,

00:21:00: die mit uns auch sozusagen eine Fall-Supervision macht, also wo wir uns wirklich auch Einsätze anschauen können,

00:21:06: wo noch etwas offen ist eben. Und das ist etwas, das auch sehr gut angenommen wird im Team.

00:21:14: Und meistens gibt es noch irgendwie Themen, also es ist irgendwie auch gut,

00:21:18: um zu einen Raum zu haben, der dann stattfindet, weil dann kann man dort auch Dinge hineinbringen,

00:21:22: auch wenn man sich gedacht hat, na eigentlich, das ist irgendwie eh schon.

00:21:25: Und wie läuft so eine Supervisionssitzung ab? Wie kann ich mir das ungefähr vorstellen?

00:21:33: Also da kommt eine externe Supervisorin ins Team, die uns da schon seit einigen Jahren begleitet.

00:21:39: Und es gibt immer eine Einstiegsrunde sozusagen, wo mal Themen gesammelt werden und geschaut wird.

00:21:45: Wer hätte dann einen Fall oder eben ein Thema, das er gerne besprechen möchte.

00:21:49: Und dann, wenn das klar ist, dann wird der Fall die Situation geschildert,

00:21:54: auch die Belastung, die damit noch verbunden ist.

00:21:57: Und dann werden eigentlich im Team geleitet von der Supervisorin auch andere Perspektiven darauf erarbeitet.

00:22:06: Also zum Beispiel häufig sind es Themen wie, ich habe da keinen Zugang gefunden zu der Person,

00:22:11: das passiert jetzt nicht so oft, aber wenn das passiert, dann ist das oft etwas,

00:22:15: das die mit den Klasseninterventionskolleginnen länger auch beschäftigt in einer Art und Weise.

00:22:21: Und man geht aus dem Einsatz und ist sich nicht ganz sicher, ob die Person schon,

00:22:26: schon wieder sozusagen, richtig am Weg ist.

00:22:29: Und in solchen Situationen ist es hilfreich, eben auch die Erfahrungen der anderen zu hören.

00:22:34: Zu hören, das gehen, ist anderen auch schon einmal so ergangen oder eben auch an der Perspektiven drauf zu bekommen.

00:22:43: Und das ist meistens sehr entschlastend.

00:22:46: Sehr heilsam.

00:22:47: Jetzt ist das rote Kreuz ja international tätig in vielen Krisengebieten im Einsatz.

00:22:53: Können die Leute, die da zurückkommen aus diesen Krisengebieten auch diese Hilfe in Anspruch nehmen, diese Unterstützung, Monika?

00:23:02: Natürlich. Also die, die aus dem Einsatz gehen, die kriegen jedenfalls an die Briefing,

00:23:07: bevor sie nämlich nach Hause entlassen werden, üblicherweise.

00:23:10: Also die kommen zurück, werden zum Debriefing, da gibt es ein fachliches Debriefing.

00:23:14: Also was ist dann, ich weiß nicht, bei dem Team dort, haben die das ordentlich,

00:23:21: ist die Teamposition gut gewesen, ist das Ziel dieser Mischen erreicht worden, also ob es etwas Aufbereitung oder ähnliches.

00:23:29: Und wenn die dann zurückkommen und dann gibt es außer diesem fachlichen Debriefing natürlich auch ein psychosoziales Debriefing,

00:23:39: nämlich wie sie es mir in dem Team gegangen, nämlich irgendwelche Dinge mit, die ich gerne besprechen möchte, bevor ich nämlich in meine Familie gehe.

00:23:47: Also es ist auch im Rettungsdienst so, dass wir sagen, dass die, die Kolleginnen und Kollegen auch, die die international unterwegs sind,

00:23:54: das nicht mit jemandem besprechen sollten, der sie nicht auskennt. Also der nicht weiß, der diese Bilder nicht kennt.

00:24:02: Weil natürlich, wenn ich dem etwas erzähle, der das nicht kennt und nicht weiß, wie das ausschaut,

00:24:08: in seiner Fantasie oft einmal ganz schlimme Dinge entstehen, die vielleicht gar nicht waren.

00:24:14: Das habe ich gar nicht gedacht, aber das leuchtet natürlich komplett ein.

00:24:18: Ich erzähle meiner Oma nicht von einem grauslichen Unfall, weil die Bilder, die sich dann im Kopf hat, das ist nicht besonders klug.

00:24:27: Deswegen nimmt man halt jemanden, der geschult ist, der weiß, wie es dort läuft und der die Situation nachvollziehen kann und ähnliches,

00:24:35: also eben in diesem Kollegenkreis zu bleiben.

00:24:38: Und ja, und die auch von den internationalen Einsätzen kommen, die kriegen am Mach auch ein psychosoziales Debriefing.

00:24:45: Wie verarbeitet ihr diese Bilder?

00:24:49: Was habt ihr für Tools an der Hand, um, das ist mir im Vorgespräch gesagt, das habe ich auch überhaupt nicht am Schirm gehabt,

00:24:57: aber das stimmt natürlich, dass ihr ja zur Einsetzung gerufen werdet, wo sich die Betroffenen dann möglicherweise auch noch von dem Toten verabschieden möchten.

00:25:06: Aber der schaut halt nach einem Unfall wahrscheinlich jetzt auch nicht immer so aus, wie er war.

00:25:14: Das heißt, ihr müsst ja, oder ihr richtet den dann auch so ein bisschen her.

00:25:19: Also wie schafft ihr das?

00:25:21: Wir schauen schon, dass die Angehörigen ein Bild bekommen, wenn sie den wirklich noch mal sehen wollen,

00:25:27: wo sich diese Bilder nicht als grauslich oder unangenehm einbringen,

00:25:34: sondern so, dass sie das gut mitnehmen können.

00:25:38: Ja, also wie man das verarbeitet, gute Frage.

00:25:43: Also man ist einfach viel gewöhnt.

00:25:46: Ich glaube, es gibt ein paar Schritte, die ich persönlich hilfreich finde.

00:25:52: Das ist eines einmal, dass nachbesprechen unmittelbar mit der Kollegin, dem Kollegen, mit dem man im Einsatz war.

00:25:59: Das heißt, wenn man rausgeht, einfach zu besprechen, wie man das jetzt wahrgenommen hat, was vielleicht Punkte waren,

00:26:04: die irritierend waren oder was schwierig war, was gut gelungen ist, was herausfordernd war.

00:26:09: Also dieses unmittelbare Debriefing, wenn ich bei dem Wort bleibe.

00:26:14: Und dann, glaube ich, gibt es sehr viel, also dann gibt es auch, wir schreiben natürlich auch Protokoll,

00:26:19: müssen zu einem Einsatz auch ein Protokoll erfassen.

00:26:22: Das ist eine gesetzliche Vorgabe.

00:26:25: Und auch das Protokoll schreiben finde ich etwas verarbeitendes,

00:26:29: wenn man das auch noch einmal in einer sachlichen Form schildert, niederschreibt.

00:26:34: Da gewinnt man einfach ein bisschen einen Abstand.

00:26:36: Ja, absolut.

00:26:37: Und gibt es irgendein Ritual oder so, das ihr vor dem Einsatz macht?

00:26:42: Also, ich weiß nicht, irgendwelche Gedanken, die ihr abspult vor dem Einsatz.

00:26:46: Ich sage jetzt absichtlich abspulen, weil es einfach so einstellen auf die Situation ist

00:26:51: oder irgendetwas mitnehmen.

00:26:54: Unser Rucksack, ja, irgendetwas Abstand oder was weiß denn ich?

00:27:00: Ein Stein.

00:27:01: Gibt es da irgendwas?

00:27:03: Also, das werden meine Kolleginnen vielleicht haben,

00:27:05: dass sie da irgendwie einen Glückstein mit haben oder ähnliches.

00:27:08: Also ich habe das nicht.

00:27:09: Im Vornen brauche ich das auch nicht, da konzentriere ich mich einfach auf die Sache.

00:27:14: Da brauche ich keinen Glückstein oder ähnliches.

00:27:17: Wir haben unseren Rucksack mit, das sind halt ein paar Hilfsmittel auch dabei,

00:27:20: zum Beispiel auch der Tee-Deeper für die Kinder oder Malbuch oder

00:27:24: ein Kogummi oder manche, ja, macht Zigaretten mit.

00:27:28: Also kommt halt drauf an, was das Gegenüber dann halt auch braucht,

00:27:32: um da ein bisschen runterzukommen.

00:27:35: Beim Nachhause kommen, also das Gespräch mit der Kollegin,

00:27:38: das die Petra erwähnt hat, das ist sehr hilfreich, um abzuschließen,

00:27:43: diesen Einsatz.

00:27:44: Und dann gibt es halt unterschiedliche Rituale.

00:27:46: Also bei mir ist es so, ich ziehe meine Uniform aus und gehe in die Dusche.

00:27:50: Und damit quasi spüle ich es weg, ja, das ist ein bisschen ein Ritual.

00:27:57: Per Tier, Petra.

00:27:59: Mir ist immer wichtig, mich nochmal, obwohl ich den Verstorbenen,

00:28:03: die Verstorbenen ja nie kennen, mir wichtig, mich nochmal bewusst von der Person

00:28:07: zu verabschieden.

00:28:08: Und das mache ich meistens bei einem Spaziergang einfach nochmal bewusst loszulassen

00:28:13: und auch mich zu verabschieden, obwohl es sozusagen mit mir nichts zu tun hat,

00:28:18: außer dass ich bei diesem Einsatz war, ja.

00:28:20: Ja, warum macht ihr das?

00:28:26: Weil es auch viele schöne Momente gibt.

00:28:30: Also es ist, auch wenn Tod halt in unserer Gesellschaft immer sehr mit negativen

00:28:39: Befasten befasst ist und in Verbindung gebracht wird.

00:28:42: Aber für uns, also für mich ist es sehr befriedigend zu sehen,

00:28:48: dass wenn ich aus der Tür rausgehe, dass die Menschen so ein bisschen,

00:28:52: wie soll ich sagen, es ist jetzt übertrieben, ein bisschen Hoffnung geschöpft haben,

00:28:55: so ein bisschen wieder ins Tun kommen, so wissen, wie die nächsten Schritte sein müssen

00:29:01: und sie da jetzt nicht verzweifelt zurückzulassen.

00:29:05: Und ganz viele bedanken sich dann auch, oft mal Grimazokaten mit,

00:29:10: es war super, dass sie da waren und vielen Dank,

00:29:13: dass sie das im Nachhinein dann schon auch gut annehmen können

00:29:19: und ihnen das schon bewusst ist, dass es da Hilfe gegeben hat.

00:29:23: Auch wenn sie es in der Situation können sich die meisten nicht einmal

00:29:26: mehr in unsere Namen erinnern, ist auch okay so.

00:29:30: Also da geht es ja nicht um mich, sondern geht es um die Betroffenen.

00:29:33: Aber wir haben schon sehr oft Feedback, dass es gut war, dass wir da waren.

00:29:38: Und deswegen machen wir das.

00:29:40: Gab es mit dir einen Knackpunkt in der Krisenintervention zu arbeiten

00:29:45: oder war das so ein schleichender Prozess?

00:29:48: Wie ich dazu gekommen bin?

00:29:50: Also es gab eine Situation, wo ich einfach Job gewechselt habe

00:29:53: und mir gedacht habe, okay, jetzt habe ich sehr viel gearbeitet

00:29:56: und dann hatte ich ein bisschen mehr Zeit und dann haben wir gedacht,

00:29:58: jetzt ist ein guter Moment, etwas Soziales zu machen

00:30:01: und ich habe einmal Psychologie studiert.

00:30:04: Das ist zwar keine Voraussetzung für die Krisenintervention,

00:30:06: aber ich habe einfach geschaut, was könnte in Frage kommen

00:30:09: und habe das gesehen auf der Rotkreuz-Humwege.

00:30:12: Und dann haben wir gedacht, das klingt ja spannend

00:30:14: und habe mich einfach informiert und bin dazu gekommen.

00:30:18: Was ich nicht wusste, und das ist eigentlich der Grund,

00:30:21: warum ich dabei bin bis heute, ist, dass jeder Einsatz auch,

00:30:26: also ich kann alles unterstreichen, was die Monika gesagt hat,

00:30:30: die Motivationen haben, bedankt, aber jeder Einsatz für mich auch sehr ehrdankt ist.

00:30:35: Also wenn man sich im Alter über Kleinigkeiten mal ärgert

00:30:39: oder sich denkt, warum kann das nicht so oder so laufen,

00:30:42: das wäre viel einfacher und dann mal bei einem Einsatz ist,

00:30:46: dann geht man da raus und denkt sich, eigentlich habe ich ein ziemlich cooles Leben,

00:30:50: eigentlich ist alles richtig gut und das sind die Momente

00:30:54: oder das ist eine Wirkung dieser Einsätze, die...

00:30:57: Also dann nimmst für dich einfach auch Gutes mit.

00:31:00: Genau.

00:31:01: So gibst du Gutes und nimmst Gutes mit.

00:31:03: Genau.

00:31:04: Und zeigt auch eine gewisse Dankbarkeit für die eigene Situation.

00:31:07: Du hast gerade gesagt, du hast zwar Psychologie studiert,

00:31:11: aber das ist keine Voraussetzung.

00:31:13: Stimmt.

00:31:14: Aber was sind denn so die Voraussetzungen?

00:31:17: Welchen Anforderungen muss ich denn entsprechen,

00:31:19: um im Kriseninterventionsteam anzuheuern, wenn ich das möchte?

00:31:25: Ich starte mal, also es gibt ein paar formale Voraussetzungen,

00:31:31: wie ein Mindestalter zum Beispiel oder auch ein Maximallalter.

00:31:34: Das kommt allerdings eher selten zum tragen.

00:31:38: Und ansonsten, es gibt eine Ausbildung, die das rote Krawatz,

00:31:43: die man beim rote Krawatz absolviert, es gibt keine fachliche Voraussetzungen,

00:31:47: das man jetzt eben Psychologie studiert haben muss zum Beispiel

00:31:50: oder eine psychosoziale Fachkraft sein muss.

00:31:52: Und in dieser Ausbildung lernt man alles, was man braucht,

00:31:56: um in der Krisenintervention tätig zu sein.

00:31:59: Und es sind natürlich ein paar persönliche Voraussetzungen hilfreich,

00:32:04: wie zum Beispiel, dass man gut stille aushalten kann.

00:32:08: Das war für mich eine große Erkenntnis,

00:32:10: dass es in solchen Einsätzen oft ruhig ist.

00:32:13: Und dann ist es still und dann sitzt man da

00:32:15: und es wird auch mal nichts gesprochen zum Beispiel.

00:32:18: Das ist gar nicht so einfach für viele Menschen.

00:32:22: Bei mir immer das Gefühl hat, man muss jetzt irgendwas sagen, um zu helfen.

00:32:25: Ja, genau. Wir kommen immer ins Tun.

00:32:27: Wir müssen immer irgendwas machen, irgendwas tun, irgendwas verbessern.

00:32:30: Aber oft brauchen die Betroferner das gar nicht,

00:32:33: sondern die brauchen nur, dass jemand da sitzt.

00:32:36: Und mal ein paar Menschen zu breiten.

00:32:38: Und mit ihnen schweigt.

00:32:40: Irgendwann kommt dann schon eine Frage oder einfach ein Statement

00:32:43: oder sie fangen an über den Verstorbenen zu reden.

00:32:46: Aber diese Stille auszuhalten und sich nicht in den Vordergang zu drängen.

00:32:54: Man ist dort hilfreich und nicht die Hauptperson.

00:32:59: Es geht nicht um uns, es geht um die Betroffenen.

00:33:02: Man muss sich zurückstellen können,

00:33:05: man muss mal den Schnabel halten können.

00:33:08: Man muss einfach empathisch sein, man muss Menschen mögen.

00:33:12: Das lerne ich, das kann ich nicht lernen bei der Ausbildung.

00:33:19: Manche Dinge kann man nicht lernen, die muss man einfach mitbringen.

00:33:23: Und wie genau schaut die Ausbildung dann aus beim Roten Kreuz?

00:33:28: Also um da ein bisschen mehr ins Detail zu gehen.

00:33:30: Das kann ich mir das vorstellen.

00:33:32: Also es gibt zunächst, das ist eben beziehungsweise organisiert,

00:33:36: das heißt es gibt zunächst einen Kennenlernen mit der zuständigen Teamleiterin.

00:33:40: Das ist zum Beispiel mit mir in der Bezirkstelle Baden.

00:33:43: Und wenn das gut verläuft, wir machen ihm auch einen Kennenlernen im Team,

00:33:47: damit man da schon gut angedockt ist.

00:33:49: Und dann gibt es vom Landesverband Niederösterreich,

00:33:53: jetzt in diesem Fall organisiert, einen psychosozialen Auswahltag.

00:33:57: Das heißt, es gibt einfach unterschiedliche Aufgaben,

00:34:01: auch ein paar psychologische Tests, um auszuschließen,

00:34:05: dass jetzt eine gravierende Beeinträchtigung oder Störungen vorliegt.

00:34:10: Also ich glaube, es ist noch niemand durch den Auswahltag gefallen,

00:34:14: sondern das sind nicht von denen, mit denen ich eigentlich nicht davor bin.

00:34:18: Aber es wird schon immer wieder, es ist oft einmal so,

00:34:21: dass Menschen mit ihrer eigenen Trauerarbeit noch nicht fertig sind.

00:34:25: Und die würde ich nicht in die Krisenintervention nehmen,

00:34:30: weil dann vielleicht bei denen noch mal was aufpuppt.

00:34:34: Und ich sie dann in eine Situation bringen,

00:34:37: die sie vielleicht nicht her werden.

00:34:40: Also man sollte mit seinen eigenen, in seinem eigenen Leben gefestigt sein,

00:34:45: keine offenen Dinge mehr haben im Sinne von,

00:34:48: ich habe noch, weiß ich nicht, jemanden, den ich betraue.

00:34:53: Also ich muss selber psychisch gut drauf sein,

00:34:58: um jemanden auch zu unterstützen.

00:35:01: Und gibt es da auch viele, die dann sagen,

00:35:03: das ist einfach doch nichts für mich.

00:35:05: Die dann da drauf kommen im Zuge, auch dieses einen Tages- oder diese Ausbildung.

00:35:09: Gibt es immer wieder, und das ist auch okay.

00:35:12: Genau.

00:35:14: Was vielleicht in der Ausbildung schon nicht,

00:35:17: was ist das man dort doch lernt, finde ich,

00:35:19: oder das dort sehr stark auch immer wieder bearbeitet wird

00:35:22: von unterschiedlichen Seiten, ist schon diese professionelle Distanz.

00:35:25: Also sozusagen, so ein Mittelting, also einen Punkt zu finden,

00:35:29: wo ich einerseits schon empathisch bin, wie die Monika das war gesagt hat,

00:35:33: aber gleichzeitig nicht so sehr hineinkippen,

00:35:35: dass ich dann im schlimmsten Fall dort so betroffen bin,

00:35:38: als ich mit weine.

00:35:40: Das ist natürlich null hilfreich.

00:35:42: Also ich muss einen Punkt finden, wo ich gut antacken kann,

00:35:45: wo ich dieses Mitgefühl habe,

00:35:47: aber wo ich immer noch gut in einer Distanz bin,

00:35:51: um handlungsfähig zu sein als Gesindervationsmitarbeiterin.

00:35:55: Wie machst du das?

00:35:57: Na ja, es ist schon eine Haltungsfrage.

00:36:00: Also wie gehe ich dort auch hinein?

00:36:02: Also zum Beispiel, dass sie, mit dem wir vorher,

00:36:04: das vorher auch zu starker gekommen ist,

00:36:06: das für sie sein ist ein Mittel, um diese Distanz auch zu wahren.

00:36:11: Und ich glaube, jeder Mensch ist eher, also gibt es Menschen,

00:36:15: die sind eher im Mitgefühl, also die können schneller,

00:36:17: sind schneller in der Empathie und können da eher mitfühlen,

00:36:20: und andere, die sind eher in der Distanz.

00:36:22: Und je nachdem, woher ich komme, sozusagen habe ich ein bisschen

00:36:24: ein anderer Entwicklungsweg.

00:36:26: Wenn ich bin, geht es darum, gut zu aufzuschauen,

00:36:28: in der Distanz zu bleiben.

00:36:30: Und das ist eben, zum Beispiel, über das Sie,

00:36:32: aber auch sich immer wieder klar zu machen,

00:36:35: selbst das ist nicht meine Geschichte,

00:36:37: sondern das ist die, die betroffenen zum Beispiel,

00:36:39: diese Sortierung zu machen.

00:36:42: Und wenn ich mehr von der Distanz komme,

00:36:44: einfach ist es gezahlt darum zu schauen,

00:36:46: dass ich da gut in Beziehung komme,

00:36:48: dass ich da vielleicht einmal eine Frage stelle

00:36:51: oder eben aktiv zuhörte, um gut anzutacken an die Betroffenen.

00:36:55: Wie ist das bei dir?

00:36:58: Wie machst du das, dass du dich mitweinst?

00:37:02: Ja, also das ist eine Haltung,

00:37:05: und das geht ganz automatisch eigentlich.

00:37:07: Wenn ich das nicht hätte, könnte ich das nicht machen.

00:37:10: Ich könnte auch nicht im Rettungsdienst fahren.

00:37:12: Wenn ich mit jedem mitleiden würde, mit fühlen, ja,

00:37:15: aber nicht mitleiden.

00:37:17: Weil ich muss, die Betroffenen verlassen sich ja drauf,

00:37:20: dass da jetzt jemand kommt, der sie an der Hand nimmt,

00:37:22: und wenn der dann quasi auch hinein kippt in diese Trauer

00:37:27: oder Verzweiflung, dann haben wir beide nichts davon.

00:37:30: Also deswegen, das geht eigentlich ganz automatisch,

00:37:34: dass ...

00:37:36: Liebe Monika, darüber brauche ich mich nachdenken, ja.

00:37:39: Liebe Monika, liebe Petra, wirklich toll, dass es euch gibt,

00:37:43: toll, dass ihr das macht, toll, dass das rote Kreuz,

00:37:46: da dieses Kriseninterventions-Team hat.

00:37:53: Ganz tolle Sache, ich bewundere euch sehr.

00:37:56: Dankeschön.

00:37:58: Ja, abschließend, ich habe mir da aufgeschrieben,

00:38:02: es gibt ja immer diese tollen Sprüche,

00:38:05: diese, wie nennten sich das so, Glaubenssätze auch so ein bisschen,

00:38:08: die man irgendwie so mitkriegt im Laufe des Lebens.

00:38:11: Und ich fand, die passen irgendwie ganz gut zum Thema Resilienz.

00:38:16: Also, wir sind eigentlich jetzt eh nur zwei eingefallen,

00:38:19: vielleicht fallen auch noch welche ein.

00:38:21: Was dich nicht umbringt, macht dich nur härter.

00:38:24: Ist das komplett veraltet?

00:38:27: Was würdet ihr da sagen dazu?

00:38:30: Hält es noch?

00:38:32: Also veraltet.

00:38:34: Man geht einfach heute nicht mehr mit sich selber um.

00:38:38: Also, man muss einfach schauen, dass man gut aus der Situation rauskommt

00:38:43: und Hilfe holen.

00:38:46: Also, wenn ich merke, das geht nicht mehr,

00:38:48: ich komme alleine nicht mehr damit zurecht, dann hole ich mir Hilfe.

00:38:52: Und das hat überhaupt nichts zu tun,

00:38:54: dass ich irgendwie ein schlechter Mensch bin,

00:38:56: oder ich mein Leben nicht mehr checke oder was auch immer,

00:38:58: sondern es ist eine Ressource, die ich auf dich zurückgreifen kann.

00:39:01: Das ist besonders klug, das zu tun.

00:39:03: Und es ist gescheit, das zu tun und nicht alleine herum zu strudeln.

00:39:06: Und es macht uns manchmal nicht härter, sondern ganz im Gegenteil,

00:39:10: es macht uns oft noch verletzlicher.

00:39:13: Und der zweite Spruch,

00:39:16: "Hinfallen, Aufstehen, Kronerichten, weitergehen".

00:39:20: Das ist eigentlich Asthmaplätschen, oder?

00:39:23: Ja, also ich finde solche Sprüche versuchen halt,

00:39:28: glaube ich, sehr komplexe und auch ein bisschen angsteinflößende Situationen,

00:39:31: kontrollierbar zu machen.

00:39:33: Es wirkt ja so, als wäre das eher alles kein Thema.

00:39:36: Es wäre ja ganz einfach.

00:39:38: Aber der ist vielleicht sogar noch ein bisschen besser.

00:39:42: Ja, das stimmt.

00:39:43: Er ist noch ein bisschen motivierender.

00:39:45: Ja, genau.

00:39:46: Aber ich glaube, wichtig ist einfach auch anzuerkennen,

00:39:50: dass solche Situationen wie der Verlust eines geliebten Menschen

00:39:54: oder auch ein dramatisches Erlebnis,

00:39:57: dass das einfach nicht, dass das sehr komplexe...

00:40:00: Ich muss auf nicht gleich aufstehen und die Kone richten und weitergehen.

00:40:04: Das kann ich auch noch ein paar Tage tun.

00:40:07: Der mit die Hand reicht, um besser aufzustehen.

00:40:10: Vielleicht dauert es ein paar Tage,

00:40:12: vielleicht lass ich die Kone auch liegen.

00:40:15: Und mit dem Prinzessinnen und Prinzending, das ist sowieso schon ober.

00:40:20: Ihr Lieben, vielen Dank.

00:40:22: War toll mit euch. Dankeschön.

00:40:24: Bis bald. Ich hoffe, wir sehen uns wieder. Danke.

00:40:26: Herzlichen Dank für die Einladung.

00:40:28: Vielen Dank, die Frau Marien und zuher.

00:40:30: Ich danke natürlich auch Ihnen, dass Sie wieder dabei waren

00:40:33: bei dieser Folge des Podcasts von Roten Kreuz.

00:40:37: Wenn es Ihnen gefallen hat, bitte unbedingt abonnieren.

00:40:41: Würden wir uns sehr freuen.

00:40:43: Ja, damit wünsche ich Ihnen alles Schöne.

00:40:46: Machen Sie es gut.

00:40:47: Bis zum nächsten Mal. Ihre Isabella Richter.

00:40:51: Copyright WDR 2021

00:40:54: [Musik]

00:40:57: Ich würde mich freuen, dass ihr nicht weiß, warum ich mich im nächsten Video verordnet habe.

Über diesen Podcast

In Österreichisches Rotes Kreuz - der Podcast holen wir die Menschen vor den Vorhang, die tagtäglich die Arbeit leisten, für die das Rote Kreuz in Österreich und weltweit steht.
Mit Mitarbeiter:innen, Freiwilligen und Menschen aus der Gesellschaft beleuchten wir die Tätigkeitsfelder der größten humanitären Bewegung.
Es werden bewegende, informative, teilweise lustige aber immer interessante Geschichten zu den unterschiedlichen Bereichen erzählt.

von und mit Österreichisches Rotes Kreuz

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